Scholz lässt Kiew-Besuch nach Treffen mit Parlamentspräsident weiter offen
Hundert Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk am Freitagmorgen im Kanzleramt empfangen. Es sei "ein sehr angenehmes Gespräch" gewesen, sagte anschließend Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Stefantschuk habe Scholz nach Kiew eingeladen - diese Einladung habe der Kanzler "freundlich zur Kenntnis genommen", berichtete Büchner. Von konkreten Reiseplänen sagte er jedoch nichts.
In dem Gespräch habe sich Stefantschuk "erfreut" darüber gezeigt, dass Scholz "die Lieferung weiterer starker Waffen für die Ukraine" angekündigt habe, sagte Büchner in Bezug auf die Rede des Kanzlers im Bundestag am Mittwoch. Stefantschuk habe sich auch "für die große Unterstützung Deutschlands für die Ukraine bedankt".
Scholz war anders als viele andere europäische Spitzenpolitiker seit Beginn des Ukraine-Kriegs nicht in Kiew. Hintergrund ist unter anderem eine Kontroverse um eine Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Regierung. Dieser Konflikt wurde inzwischen aber ausgeräumt.
Vor Stefantschuk hatte bereits der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Kanzler sowie Steinmeier und die ganze Bundesregierung nach Kiew eingeladen. Über Reisepläne des Kanzlers werde informiert, "wenn welche feststehen", sagte Büchner am Freitag.
Stefantschuk sagte nach dem Gespräch mit Scholz im TV-Sender Welt, der Kanzler habe "sich bedankt und ich bin optimistisch. Ich bin ein Optimist, und wenn man sich bedankt, dann interpretiere ich das als 'Ja, ich komme'."
"Und ich habe das dem Bundeskanzler auch gesagt: Wir sind sehr dankbar für die Entscheidung für die Lieferung schwerer Waffen", fügte Stefantschuk hinzu. "Aber ich habe auch unterstrichen, dass es für uns jetzt wichtig ist, das schnell zu bekommen."
Auch Abgeordnete der Ampel-Koalition mahnten das Kanzleramt zu mehr Engagement in dieser Frage. "Deutschland kann und muss mehr Hilfe leisten", sagte der FDP-Verteidigungsexperte Markus Faber dem "Spiegel". "Beispielsweise könnten 100 Transportpanzer Fuchs, 100 Schützenpanzer Marder, 100 Leopard, ein Kampfpanzer oder 200 Lkw zügig bereitgestellt werden", die Exportanträge müssten nur bewilligt werden.
"Der Kanzler hat öffentlich die Lieferung von Waffen verteidigt. Jetzt muss gehandelt werden", sagte auch der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), dem "Spiegel".
Stefantschuk hatte bereits am Donnerstag politische Gespräche in Berlin geführt. Am Freitag traf er sich auch mit Steinmeier. Am Morgen nahm der Präsident des ukrainischen Parlaments, der Rada, zudem als Gast an der Plenarsitzung des Bundestages teil.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sicherte der Ukraine weitere deutsche Solidarität zu. "Der deutsche Bundestag steht fest an der Seite der Ukraine" sagte sie an den Gast gewandt im Plenum. "Wir werden ihr Land weiter humanitär und militärisch, finanziell und diplomatisch unterstützen."
T.Bailey--TNT