Wirtschaft wächst im ersten Quartal nur leicht - Ukraine-Krieg trübt Ausblick ein
Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal leicht gewachsen - zunehmend gehemmt wird die konjunkturelle Entwicklung aber von den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. In den ersten drei Monaten des Jahres legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem vierten Quartal 2021 um 0,2 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Die Behörde bestätigte damit ihre erste Schätzung von Ende April.
"Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die deutsche Wirtschaft mit einem leichten Wachstum in das Jahr 2022 gestartet", erklärte der Präsident des Statistikamtes, Georg Thiel. Zugleich wies er darauf hin, dass der Krieg in der Ukraine und auch die anhaltende Corona-Pandemie "bereits bestehende Verwerfungen, zu denen gestörte Lieferketten und steigende Preise zählen, nochmals verstärkt" hätten.
Gestützt wurde die Konjunktur im ersten Quartal vor allem von Investitionen, insbesondere in Ausrüstungen und in Bauten. Dämpfend wirkte hingegen der angesichts von Lieferkettenproblemen rückläufige Außenhandel.
Die privaten Konsumausgaben, die eine wichtige Säule für die konjunkturelle Entwicklung sind, bewegten sich nach Angaben des Bundesamtes auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorquartal - "im Spannungsfeld von steigenden Preisen auf der einen und Lockerungen der Corona-Maßnahmen auf der anderen Seite".
Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, erwartet für die weitere BIP-Entwicklung nun, dass "die hohen Energiepreise den Konsum belasten". Zudem werde die größere Unsicherheit Unternehmensinvestitionen dämpfen, während sich die gestiegenen Zinsen auf die Wohnungsbauaktivität auswirkten, prognostizierte er. Die Forschenden rechnen daher "mit einem ebenfalls schwachen zweiten Quartal".
Im Dreimonatszeitraum von April bis Juni dürften sich nach Einschätzung von Dullien "deutlich stärker als im Vorquartal die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges und der Covid-19-Beschränkungen in China bemerkbar machen". Beim Konsum würden einerseits zwar die hohen Energiepreise die Kauflust der Menschen belasten - allerdings stützten das Auslaufen der Corona-Beschränkungen und die Ersparnisse aus der Pandemie den Privatverbrauch etwas. "Die Zahlungen aus dem Entlastungspaket der Bundesregierung dürften den Konsum ab dem dritten Quartal etwas stützen", fügte der IMK-Direktor hinzu.
Die staatliche Förderbank KfW erwartet, dass die Konsumerholung im Sommerhalbjahr "relativ schwach" ausfällt. Im Winterhalbjahr werde die Wirtschaft nahezu stagnieren. "Der ehemals erhoffte kräftige Aufschwung erstickt im Würgegriff des Krieges", erklärte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. "Mit einer durchgreifenden konjunkturellen Belebung ist, anders als vor dem russischen Angriff auf die Ukraine erwartet, erst wieder zu rechnen, wenn die hemmenden Faktoren nachlassen."
Wegen des Krieges würden "die Energiepreise längerfristig hoch sein und so die Kaufkraft belasten", führte Köhler-Geib weiter aus. "Außerdem kann es wegen Chinas strikter Lockdowns selbst bei kleinen Corona-Ausbrüchen immer wieder zu zusätzlichen Störungen in den globalen Lieferketten kommen", erläuterte sie. "Für den Rest des Jahres erwarte ich deshalb nur moderat positive Quartalswachstumsraten in Deutschland, auch stagflationäre Tendenzen sind durchaus möglich." Als Stagflation wird eine Phase praktisch ohne Wachstum bei gleichzeitig hoher Inflation bezeichnet.
F.Morgan--TNT