The National Times - Streit vor Bundesverfassungsgericht: Union und Linke wollen neues Wahlrecht kippen

Streit vor Bundesverfassungsgericht: Union und Linke wollen neues Wahlrecht kippen


Streit vor Bundesverfassungsgericht: Union und Linke wollen neues Wahlrecht kippen
Streit vor Bundesverfassungsgericht: Union und Linke wollen neues Wahlrecht kippen / Foto: © AFP/Archiv

Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es voraussichtlich noch etwa anderthalb Jahre - doch welches Wahlrecht dann gelten wird, ist noch unklar. Denn Union und Linke zogen gegen die im vergangenen Jahr mit den Stimmen der Ampelkoalition beschlossene Wahlrechtsreform vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das am Dienstag und Mittwoch darüber verhandelte. CSU und Linkspartei sind von den Änderungen besonders betroffen. (Az. 2 BvF 1/23 u.a.)

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Sie wehren sich gegen zwei Kernpunkte - die Abschaffung der Überhang- und Ausgleichsmandate und die Streichung der Grundmandatsklausel. In Zukunft sollen die Sitze im Bundestag komplett anhand der Mehrheitsverhältnisse bei den Zweitstimmen vergeben werden. Bis zur Reform gab es Überhangmandate. Diese fielen an, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustanden.

Davon profitierte in der Vergangenheit oft die CSU, die nur in Bayern antritt. Bundesweit holte sie also wenige Zweitstimmen, dafür aber in Bayern fast alle Wahlkreise. Um die Sitzverteilung gerecht zu halten, bekamen andere Parteien Ausgleichsmandate. So wurde der Bundestag immer größer - was die Reform nun stoppen soll. Sie deckelt die Zahl der Abgeordneten bei 630.

Es könnte dadurch passieren, dass einzelne Wahlkreisgewinner keinen Sitz mehr im Bundestag erhalten. "Verwaiste Wahlkreise" befürchtete Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Verhandlung in Karlsruhe. Die CSU-geführte bayerische Staatsregierung hatte sich ebenso wie die CSU als Partei, 195 Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag, die Linke und ihre ehemalige Fraktion sowie einzelne Linke-Abgeordnete und mehr als 4000 Privatpersonen, gebündelt vom Verein Mehr Demokratie, an das Gericht gewandt.

Die Vertreter der Union argumentierten, dass einzelne Regionen in Zukunft unterrepräsentiert bleiben könnten und dass die Neuregelung zu einer Ungleichbehandlung führe. "In der Fläche besonders breit verwurzelte" Parteien mit vielen Erststimmen würden besonders hart getroffen, sagte etwa der Bevollmächtigte der bayerischen Staatsregierung, Markus Möstl.

Vertreter der Ampelparteien verteidigten die Reform unter anderem mit der Notwendigkeit, den Bundestag zu verkleinern. Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle berichtete, dass es im aktuell sehr großen Parlament eine gewisse "Entwertung des Mandats" gebe. So kämen Abgeordnete sowohl in besonders vollen Ausschüssen als auch im Plenum beispielsweise nur noch seltener oder kürzer zu Wort.

Der Grünen-Abgeordnete Till Steffen, direkt gewählt in Hamburg-Eimsbüttel, führte seinen Konkurrenten von der SPD, Niels Annen, als Positivbeispiel gegen die Vorwürfe der CSU an. Dieser - der frühere Direktkandidat - sei ihm zwar 2021 im Wahlkreis knapp unterlegen, aber über die Liste in den Bundestag eingezogen. An Annens Arbeit im Wahlkreis habe sich dadurch nichts geändert, und so würde er selbst es auch halten, versicherte Steffen.

Auch der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi, der als Anwalt selbst Bevollmächtigter für seine Partei in diesem Verfahren ist, nahm seine eigene Wahl als Beispiel. In seinem Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick habe die SPD 2021 deutlich mehr Zweitstimmen geholt als die Linke, sagte Gysi - er selbst habe aber mehr Erststimmen eingefahren als die SPD-Kandidatin. "Die Leute konnten also sehr wohl zwischen Erst- und Zweitstimme unterscheiden und haben es auch getan."

Die Linke war nach der Bundestagswahl 2021 nur wegen der Grundmandatsklausel in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen. Diese sah bei einem Scheitern an der Fünfprozenthürde vor, dass die Partei dennoch mit der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses ins Parlament kam, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewann.

Die Klausel wird nun abgeschafft - die Fünfprozenthürde soll aber bleiben. Auch das kritisieren Linke und CSU als Ungleichbehandlung. Während die Linke die Hürde 2021 mit 4,9 Prozent nicht übersprang, kam die CSU mit 5,2 Prozent nur knapp darüber.

Ein Urteil sollte am Verfassungsgericht in dieser Woche noch nicht fallen. Vertreter der Fraktionen erwarteten es aber schon in einigen Monaten, vor oder kurz nach der parlamentarischen Sommerpause. Viel Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl bleibt dann nicht mehr.

C.Bell--TNT

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