Papst ruft Kiew zum Hissen der "weißen Fahne" auf - Empörung und Kritik
Papst Franziskus hat die Ukraine zu Friedensverhandlungen mit Russland aufgerufen - und damit international Empörung und Kritik ausgelöst. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte am Sonntag, Franziskus solle sich "auf die Seite des Guten" stellen und die Kriegsparteien "nicht auf die gleiche Ebenen stellen und das dann 'Verhandlungen' nennen". Der Papst hatte von der Ukraine zuvor "Mut zu Verhandlungen" und das Hissen der "weißen Fahne" gefordert.
"Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln", sagte der Papst dem italienischsprachigen Schweizer Sender RSI in einem Interview. Er sei der Ansicht, dass derjenige Stärke zeige, "der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut hat, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln" - womit er sich offensichtlich an die Ukraine richtete.
"Schämt euch nicht zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird", fügte der Papst hinzu. Es gebe viele Akteure, die als Vermittler bereitstünden, darunter die Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich am Freitag erneut als Gastgeber für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten.
Vatikan-Sprecher Matteo Bruni versuchte später, die Aussage des Papstes zu relativieren. Franziskus habe das Bild von der "weißen Fahne" aufgegriffen, um damit "eine Einstellung der Feindseligkeiten" und "einen Waffenstillstand, der mit dem Mut zur Verhandlung erreicht wurde", zu bezeichnen. Franziskus wünsche sich vor allem eine "diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden".
Kuleba entgegnete im Onlinedienst X: "Unsere Flagge ist gelb und blau. Das ist die Flagge, für die wir leben, sterben und triumphieren. Wir werden niemals andere Fahnen hissen." Kiews Botschafter im Vatikan, Andrij Jurasch, verglich den Vorschlag des Papstes mit Verhandlungen mit Hitler im Zweiten Weltkrieg. "Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir alles tun, um den Drachen zu töten!", schrieb er auf X.
"Russland ist der Aggressor und bricht das Völkerrecht", betonte auch Deutschlands Botschafter beim Heiligen Stuhl, Bernhard Kotsch. "Deshalb fordert Deutschland Moskau auf, den Krieg zu beenden, nicht Kiew", schrieb er auf X.
Auch in Deutschland stießen die Äußerungen des Papstes auf scharfe Kritik. "Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine", sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Auf Distanz ging auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter: "Unglaublich, das Oberhaupt der katholischen Kirche stellt sich auf die Seite des Aggressors", schrieb er auf X. Der Papst liefere damit Russlands Präsident Wladimir Putin eine "Blaupause für weiteres Vorgehen".
Kiew gerät im Krieg gegen Russland zunehmend unter Druck. Den ukrainischen Soldaten an der Front geht die Munition aus - unter anderem wegen der Verzögerung weiterer Militärhilfe aus den USA. Russland dagegen konnte zuletzt neue Gebiete unter seine Kontrolle bringen, darunter die hart umkämpfte Stadt Awdijiwka.
Am Wochenende kam es in der Ukraine und in Russland wieder zu Angriffen. Der Gouverneur der Region Kursk im Südosten Russlands, Roman Starowoit, erklärte, am Sonntag sei das grenznahe Dorf Kulbaki aus der Ukraine angegriffen worden. Eine Frau sei dabei getötet worden, die Mann sei schwer verletzt.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, in der Grenzregion Belgorod zwei Drohnen zerstört zu haben. Am Samstag hatte Moskau bereits den Abschuss von 47 ukrainischen Drohnen im Süden des Landes bekannt gegeben, besonders betroffen war demnach die Region Rostow.
Die Ukraine meldete am Sonntag ihrerseits den Abschuss von 35 russischen Drohnen. Bei einem Raketenangriff auf ein Wohngebiet der Stadt Myrnograd in der östlichen Region Donezk seien elf Menschen verletzt worden, erklärte Regionalgouverneur Wadim Filaschkin. 17 Hochhäuser seien beschädigt worden. In der nordöstlichen Region Charkiw stand nach Behördenangaben nach russischem Beschuss ein Ferienlager in Flammen.
S.Arnold--TNT