Russland greift Ukraine vor Jahrestag der Invasion massiv an
Kurz vor dem zweiten Jahrestag des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die russische Armee mehrere Gebiete des Nachbarlandes massiv unter Beschuss genommen. In der Gegend um die ostukrainische Stadt Marjinka in der Region Donezk habe Russland binnen eines Tages 43 Mal versucht, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, erklärte der ukrainische Generalstab am Freitag in seinem Morgenbericht. Die USA verhängten neue, weitgehende Sanktionen gegen Russland. Kreml-Chef Wladimir Putin lobte indes die russischen Soldaten als "Helden" und bekräftigte seinen Willen, die russische Armee weiter zu stärken.
Russland hatte das vollständig zerstörte Marjinka im Dezember eingenommen, danach war die Front dort weitgehend eingefroren. In den vergangenen Tagen hatte Russland aber seine Angriffe in Richtung Westen verstärkt. Insbesondere in Richtung Pobjeda und Nowomychaljiwka habe die russische Armee angegriffen, erklärte der ukrainische Generalstab.
Der ukrainischen Armee sei es aber gelungen, mehrere Stellungen nahe Marjinka und der in der vergangenen Woche von Russland eingenommenen Stadt Awdijiwka zurückzuerobern, erklärte Armeesprecher Dmytro Lychowij. Nahe Bachmut seien weitere 16, nahe Lyman 14 Vorstöße festgestellt worden, hieß es weiter.
Auch aus weiteren Regionen meldeten die ukrainischen Behörden massive russische Angriffe. In der südukrainischen Stadt Odessa seien in der Nacht auf Freitag bei Angriffen drei Menschen getötet worden, erklärte die ukrainische Polizei im Online-Dienst Telegram. Insgesamt sechs Drohnen seien auf den Süden des Landes abgeschossen worden.
Aus der Region um die zentralukrainische Stadt Dnipropetrowsk meldete Gouverneur Serhij Lysak eine "Horrornacht". Rettungskräfte durchsuchten die Trümmer eines schwer beschädigten Gebäudes, in dem die Wohnungen "vollkommen zerstört" worden seien.
Der ukrainischen Luftabwehr gelang es nach Angaben Luftwaffen, in der Nacht auf Freitag 23 von 31 von Russland abgeschossenen Schahed-Drohnen iranischer Bauart abzufangen.
US-Präsident Joe Biden gab indes am Freitag die Verhängung zuvor angekündigter neuer Russland-Sanktionen bekannt. Es handele sich um das größte Sanktionspaket seit Kriegsbeginn, hatte am Donnerstag das US-Finanzministerium erklärt. Der russische Präsident Putin werde durch die Sanktionen einen "noch höheren Preis" für die "Aggression" in der Ukraine und die "Unterdrückung" im eigenen Land bezahlen, erklärte Biden am Freitag. "Wenn Putin nicht den Preis für den Tod und die Zerstörung zahlt, die er verbreitet, wird er weitermachen", mahnte Biden.
Die neuen Sanktionen gegen mehr als 500 Ziele richten sich laut Biden zum einen gegen Einzelpersonen, die mit der Inhaftierung des in einer Strafkolonie verstorbenen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny in Verbindung stehen, zum anderen gegen "den russischen Finanzsektor, die Rüstungsindustrie, Versorgungsnetze und Urheber der Umgehung von Sanktionen" auf mehreren Kontinenten. Die USA verhängen demnach außerdem Exportbeschränkungen "gegen fast 100 Einrichtungen, die verdeckte Unterstützung für die russische Kriegsmaschinerie leisten".
Seit der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 haben die USA, die EU und weitere Länder zahlreiche Sanktionen verhängt, um die russische Militärindustrie zu schwächen und Moskaus Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas zu verringern. Unter anderem wurde ein Preisdeckel für russisches Rohöl in Kraft gesetzt.
Russland gab am Freitag seinerseits in Reaktion auf die jüngste Sanktionsrunde der EU Einreiseverbote für weitere Vertreter der Union nach Russland bekannt.
Anlässlich des zweiten Jahrestags des Kriegsbeginns wurden für Samstag mehrere hochrangige Vertreter verbündeter Staaten in der Ukraine erwartet. Am Freitag traf nach Angaben des ukrainischen Regierungschefs Wolodymyr Selenskyj in der westukrainischen Stadt Lwiw bereits die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen ein. Dänemark hatte am Vortag eine bilaterale Sicherheitsvereinbarung mit Kiew vereinbart. Zudem gab der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, sein Eintreffen in Lwiw bekannt.
Der russische Präsident Putin pries unterdessen vor dem zweiten Jahrestag der Invasion in einer Videobotschaft die "echten Helden des Volks", die in der Ukraine kämpften. In seiner Ansprache zum jährlich in Russland begangenen "Tag des Verteidigers des Vaterlands" hob Putin hervor, dass die "Militär- und Industriekomplexe" sowohl die Waffenproduktion als auch die Versorgung der Truppen "um ein Vielfaches gesteigert" hätten. Auf der Grundlage der "aktuellen Kampferfahrung" würden die Streitkräfte auch künftig weiter gestärkt.
Der Beginn der russischen Invasion jährt sich am Samstag zum zweiten Mal. Nach mehr als einem Jahr festgefahrener Kämpfe geht Moskau vor allem in der Ostukraine wieder in die Offensive. Die ukrainischen Soldaten leiden unterdessen zunehmend unter Munitionsmangel - unter anderem wegen der Verzögerung weiterer Militärhilfe aus den USA, die durch die oppositionellen Republikaner im Kongress blockiert werden.
F.Adams--TNT