Kurz vor Kriegs-Jahrestag: Russland meldet Geländegewinne im Osten der Ukraine
Zwei Tage vor dem zweiten Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Moskau Geländegewinne im Osten des Landes gemeldet und Kiew damit weiter in die Offensive gedrängt. Russische Soldaten hätten das kleine Dorf Pobeda fünf Kilometer westlich von Donezk eingenommen, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Donnerstag. Unterdessen gab die ukrainische Armee an, ein russisches Übungsgelände an dem von Moskau kontrollierten Ufer des Flusses Dnipro im Süden des Landes angegriffen zu haben.
An der Front in Donezk hätten "Einheiten der Truppengruppe 'Süd' das Dorf Pobeda befreit und ihre Position entlang der Frontlinie verbessert", hieß es aus Moskau. Die Ukraine bestätigte den Geländegewinn zunächst nicht. Der für die Region zuständige Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte, Oleksandr Tarnawsky, bestätigte lediglich Kämpfe in der Region und erklärte, in Pobeda würden "die feindlichen Kräfte abgehalten".
Die Einnahme des kleinen Ortes würde ein weiteres Vordringen der russischen Streitkräfte in Richtung Westen bedeuten. Erst in der vergangenen Woche hatten russische Soldaten die strategisch wichtige Industriestadt Awdijiwka nach monatelangen Kämpfen eingenommen. Ende Dezember war bereits die Stadt Marjinka an die russische Armee gefallen.
Derweil meldeten die ukrainischen Streitkräfte den Angriff auf ein russisches Übungsgelände auf dem von Moskau gehaltenen Ostufer des Flusses Dnipro im Süden der Ukraine. Bei dem bereits am Mittwoch erfolgten Beschuss nahe der Ortschaft Podo-Kalyniwka wurden laut einer Militärsprecherin rund 60 russische Soldaten "getötet oder schwer verletzt".
Im Onlinenetzwerk Telegram veröffentlichten die südlichen Streitkräfte der Ukraine Luftaufnahmen, die Explosionen und am Boden liegende Soldaten zeigten. Der angegriffene Truppenübungsplatz wurde demnach von Soldaten genutzt, die einen Brückenkopf angreifen sollten.
Der ukrainische Geheimdienst (SBU) warf Moskau am Donnerstag den Einsatz von nordkoreanischen Raketen gegen zivile Ziele vor. Dabei handle es sich es um ballistische Raketen vom Typ Hwasong-11. "Laut unserer Untersuchung haben die russischen Truppen mehr als 20 dieser nordkoreanischen Waffen auf die Ukraine abgefeuert", hieß es in einer Mitteilung. Mindestens 24 Zivilisten seien getötet und mehr als hundert weitere verletzt worden.
Am Samstag jährt sich der Beginn der russischen Invasion bereits zum zweiten Mal. Nach mehr als einem Jahr festgefahrener Kämpfe geht Moskau in der Ostukraine wieder in die Offensive. Die ukrainischen Soldaten leiden unterdessen zunehmend unter Munitionsmangel - unter anderem wegen der Verzögerung wichtiger Hilfen aus den USA. Sein Land befinde sich an der Front in einer "extrem schwierigen" Situation, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Beginn der Woche.
Zur Unterstützung der Ukraine unterzeichnete nach Deutschland, Großbritannien und Frankreich nun auch Dänemark eine bilaterale Sicherheitsvereinbarung mit Kiew. Finanziert werde die Unterstützung durch den dänischen Ukraine-Fonds, der derzeit mit 69,1 Milliarden Kronen (9,2 Milliarden Euro) ausgestattet ist, erklärte das dänische Außenministerium. Nach Angaben des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) ist Dänemark der viertgrößte Geber von Militärhilfe für die Ukraine.
Unterdessen wurden in Großbritannien mehr als 50 weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen. Diese richten sich gegen Munitionshersteller, Elektronikunternehmen sowie Diamanten- und Ölhändler, wie das Außenministerium in London mitteilte. Ziel der Sanktionen sei es, Moskau wichtige Ressourcen für den Krieg zu entziehen.
UN-Angaben zufolge hat der nun zwei Jahre andauernde Krieg "unermessliches Leid" über die Zivilbevölkerung in der Ukraine gebracht und mehr als 14 Millionen Menschen - knapp ein Drittel der Bevölkerung - vertrieben. "Die Zerstörung ist weit verbreitet, der Verlust von Menschenleben und das Leid gehen weiter", erklärte die Generaldirektorin der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Amy Pope.
Die russische Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 war der größte Überfall auf ein europäisches Land seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie löste in Europa die größte Fluchtbewegung seit 1945 aus. Laut dem jüngsten Bericht der UN-Beobachtermission für Menschenrechte wurden seit Kriegsbeginn mehr als 10.500 Zivilisten in der Ukraine im Zusammenhang mit dem Konflikt getötet, weitere 19.875 wurden demnach verletzt. Experten zufolge könnten die Zahlen jedoch wesentlich höher liegen.
C.Blake--TNT