Zeugnis des Schreckens: Ukrainischer Dokumentarfilmer zeigt Zerstörung von Mariupol
Die ukrainische Hafenstadt Mariupol wurde zum Symbol für viele Städte, die durch den russischen Angriffskrieg zerstört wurden. Zwei ukrainische Journalisten haben 20 Tage lang den Horror dokumentiert, ihr Film wurde am Sonntagabend mit dem Bafta-Preis als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. "Mir wäre es lieber gewesen, der Film würde nicht existieren", sagte Mstyslaw Tschernow im AFP-Gespräch mit Blick auf den Krieg, der sich am Samstag zum zweiten Mal jährt.
"Aber jetzt, da es ihn gibt, ist es wichtig, dass er von so vielen Menschen wie möglich gesehen wird", fügte er hinzu. Gemeinsam mit seinem Kollegen Ewgeniy Maloletka harrte er knapp drei Wochen in Mariupol aus, bevor die Journalisten der Nachrichtenagentur AP von der ukrainischen Armee in Sicherheit gebracht wurden. Aus ihrem Filmmaterial machten sie später den Dokumentarfilm "20 Tage in Mariupol".
"Ich möchte, dass die Geschichten der Einwohner nicht vergessen werden", sagte Tschernow. Mariupol fiel nach 86 Tagen an die russischen Streitkräfte. Insgesamt kamen dort 22.000 Menschen ums Leben, die Stadt wurde fast vollständig zerstört. "Mariupol ist zum Symbol geworden für die durch russische Bomben ausgelöschten Städte - und allgemein für die schlimmen Folgen eines Krieges für Zivilisten", sagte Tschernow.
Dabei sei die Wirklichkeit noch schlimmer als das, was der Film zeige. "Dieses Gefühl, nicht entrinnen zu können, die Gefahr, all dieser Horror, das lässt sich nicht filmen", erklärte der Filmemacher.
Er erinnerte sich, wie Bewohner von Mariupol die Journalisten fragten, ob die ukrainische Regierung noch an der Macht sei, ob die Ukraine überhaupt noch existiere. "Die Menschen waren völlig von der Außenwelt abgeschnitten. (...) Mir wurde klar, wie sehr die Menschen auf Informationen angewiesen waren", sagte Tschernow.
So lange die Journalisten in Mariupol waren, sei es äußert schwierig gewesen, die Bilder zu senden. "Es gab kaum Telefonnetz, keine Batterien, Festplatten, kein Internet", sagte Tschernow. In drei Wochen habe er lediglich 40 Minuten von 30 Stunden Material absetzen können. "Als wir dann evakuiert waren, war es klar, dass wir einen Film daraus machen mussten", sagte er.
Auf die Frage, mit welchem Gefühl er die Stadt verlassen habe, sagte er: "Ich will nicht von Schuldgefühlen sprechen. Aber wir fühlten ähnlich wie viele, die Mariupol verlassen konnten: Das Gefühl, nicht mehr getan zu haben", sagte er. Dies sei für ihn auch ein Antrieb gewesen, diesen Film zu machen.
Die Filmemacher blieben mit vielen Menschen in Kontakt, die in dem Film vorkommen. "Sie tragen die Stadt ihn ihrem Herzen. Aber ihr Leben ist zerstört, weil sie ein Kind oder einen Angehörigen verloren haben", erklärte Tschernow. Für die Überlebenden aus Mariupol sei der Film auch eine Möglichkeit, anderen zu zeigen, was sie durchgemacht haben. "Sie können sagen: So war das tatsächlich", fügte er hinzu.
Q.Marshall--TNT