Netanjahu besteht trotz internationaler Warnungen auf Militäroffensive in Rafah
Trotz internationaler Warnungen beharrt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf einer Militäroffensive in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen. Wer Israel zum Verzicht auf die Offensive auffordere, verlange im Grunde genommen, dass Israel "den Krieg" gegen die radikalislamische Hamas "verlieren" solle, sagte Netanjahu am Samstagabend. Am Sonntag setzte das israelische Militär seinen Einsatz im Nasser-Krankenhaus in der Stadt Chan Junis fort.
Netanjahu fügte bei der im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz hinzu, die Offensive werde auch im Falle einer Vereinbarung mit der Hamas über eine Freilassung der israelischen Geiseln stattfinden. Selbst wenn eine solche Einigung erzielt werde, "werden wir in Rafah einrücken", sagte der Regierungschef.
In Rafah an der Grenze zu Ägypten haben rund 1,4 Millionen Palästinenser Zuflucht vor den Kämpfen gesucht. Etliche Länder, darunter auch Israels engster Verbündeter USA, fordern daher einen Verzicht auf die Offensive. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi bekräftigte in einem Telefonat mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Sonntag, dass er jegliche "Zwangsumsiedlung" von Menschen aus dem Gazastreifen nach Ägypten ablehne.
In Rafah und in der im Zentrum des Gazastreifens gelegenen Stadt Deir al-Balah wurden nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa bei Angriffen in der Nacht zum Sonntag mindestens zehn Menschen getötet. Im gesamten Gazastreifen seien in den vergangenen 24 Stunden 127 Menschen getötet worden, erklärte das Hamas-Gesundheitsministerium am Sonntag.
Israel konzentriert seine Militäreinsätze seit Wochen auf die ebenfalls südlich gelegene Stadt Chan Junis. Am Sonntag erklärte die Armee, dass Soldaten weiter im Nasser-Krankenhaus sowie in dessen Nähe, wo sie "zusätzliche Waffen fanden", im Einsatz seien.
Das Militär hatte die Klinik in Chan Junis am Donnerstag gestürmt. Es verwies auf "nachrichtendienstliche Erkenntnisse", wonach in dem Gebäude zeitweise Geiseln festgehalten wurden und sich Leichen von Geiseln noch dort befinden könnten.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nannte die Lage in dem Krankenhaus "chaotisch und katastrophal". Nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen starben dort sieben Menschen wegen Sauerstoffmangels infolge der Stromausfälle, darunter ein Kind.
Im Bemühen um eine Waffenruhe sowie die Freilassung israelischer Geiseln aus der Gewalt der Hamas war am Dienstag in der ägyptischen Hauptstadt Kairo eine neue Verhandlungsrunde angelaufen. Bislang brachten die Gespräche unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars aber keine Ergebnisse. Die Entwicklung der vergangenen Tage sei "nicht gerade vielversprechend", sagte Katars Ministerpräsident Al-Thani am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Auch im UN-Sicherheitsrat geht das Ringen weiter: Am Dienstag soll sich der Rat auf Antrag Algeriens erneut mit einem Resolutionsentwurf befassen, dessen jüngste Fassung "eine sofortige humanitäre Waffenruhe, die von allen Parteien eingehalten werden muss" fordert - sowie die Freilassung aller Geiseln.
Allerdings haben die USA bereits ihr Veto signalisiert. Stattdessen unterstützen die USA nach Angaben ihrer UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield einen Deal über eine Geiselfreilassung im Gegenzug für eine sechswöchige Feuerpause.
Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden dabei etwa 1160 Menschen getötet und rund 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 130 der Geiseln befinden sich israelischen Angaben zufolge noch immer in dem Palästinensergebiet, 30 von ihnen sollen bereits tot sein.
Als Reaktion auf den Angriff der Hamas hatte Israel deren Vernichtung als Ziel ausgegeben. Bei dem massiven Militäreinsatz im Gazastreifen wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bislang mehr als 28.900 Menschen getötet.
T.Hancock--TNT