Gespräche in Kairo über Waffenruhe und Geiselfreilassung im Gazastreifen gehen weiter
Im fieberhaften Bemühen um die Freilassung israelischer Geiseln und eine Waffenruhe im Gazastreifen sind die Gespräche unter Beteiligung der USA und Katars am Mittwoch in Kairo fortgesetzt worden. Die Verhandlungen würden während der kommenden drei Tage weitergehen, berichtete am Dienstagabend der ägyptische Sender Al-Kahera News. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte derweil anlässlich ihres erneuten Besuchs in Israel vor einer israelischen Offensive in Rafah im Süden den Gazastreifens. Nötig seien "sichere Orte" für die Menschen.
In der ägyptischen Hauptstadt waren am Dienstag der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, sowie der katarische Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani mit ägyptischen Regierungsvertretern zu einer neuen Verhandlungsrunde zusammengekommen. Die israelische Delegation reiste anschließend wieder aus Kairo ab, wie israelische Medien berichteten. Am Mittwoch wurde in Kairo eine Delegation der islamistischen Hamas erwartet, wie eine Quelle innerhalb der Palästinenserorganisation der Nachrichtenagentur AFP sagte.
Die erste Gesprächsrunde sei "positiv" verlaufen, berichtete Al-Kahera News. Auch der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, bezeichnete die bisherigen Gespräche als "konstruktiv". Das "Wall Street Journal" meldete hingegen, dass es bislang nicht gelungen sei, "die großen Lücken in den Verhandlungen zu schließen".
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan traf am Mittwoch in der ägyptischen Hauptstadt ein. Er wolle mit seinem ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi unter anderem darüber sprechen, "was für unsere Brüder im Gazastreifen noch getan werden kann".
Seit Wochen laufen unter der Vermittlung von Katar, Ägypten und den USA Verhandlungen zur Freilassung der Geiseln und für eine Waffenruhe. Bislang brachten die Gespräche jedoch nicht den erhofften Durchbruch.
Das erneute Treffen erfolgt auch vor dem Hintergrund israelischer Vorbereitungen für einen großangelegten Militäreinsatz in Rafah ganz im Süden des Gazastreifens. Derzeit wächst der internationale Druck auf beide Seiten, einem Abkommen zuzustimmen. Baerbock erklärte am Mittwoch vor ihrer Abreise nach Israel, eine israelische Offensive in Rafah würde "die humanitäre Lage komplett zum Kippen bringen". "Denn die Menschen in Rafah können sich nicht einfach in Luft auflösen. Sie brauchen sichere Orte und sichere Korridore, um nicht noch weiter ins Kreuzfeuer zu geraten."
"Damit die Menschen in Gaza nicht verhungern und verdursten, muss dringend deutlich mehr humanitäre Hilfe nach Gaza kommen", forderte Baerbock weiter, die unter anderem den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu bei ihrem zweitägigen Besuch treffen wollte. "Hierfür braucht es auch Schutzgarantien für die UN-Organisationen." Gleichzeitig gehe es darum, "wie der internationale Druck auf die Hamas so gesteigert werden kann, dass die Terroristen endlich ihre Waffen niederlegen".
Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wandte sich am Mittwoch in einem ungewöhnlichen direkten Appell an die islamistische Hamas. Die Palästinensische Autonomiebehörde mit Sitz im Westjordanland rufe die Hamas im Gazastreifen auf, ein entsprechendes Abkommen "schnell abzuschließen, um unser palästinensisches Volk vor einer weiteren Katastrophe zu bewahren, nicht weniger gefährlich als die Nakba 1948", sagte Abbas. Mit Nakba bezeichnen die Palästinenser die Flucht und Vertreibung von geschätzt 760.000 Menschen im Zuge der Staatsgründung Israels 1948 und des darauffolgenden ersten arabisch-israelischen Krieges.
Während am Mittwoch rund hundert Angehörige von israelischen Geiseln vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zogen, um Klage gegen die Hamas wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" einzureichen, meldete die israelische Armee Luftangriffe im Libanon als Reaktion auf vorherigen Raketenbeschuss. Nach Angaben israelischer Rettungskräfte wurden dabei mindestens sieben Menschen verletzt.
Derzeit gibt es an der israelisch-libanesischen Grenze täglich Gefechte zwischen der israelischen Armee und der pro-iranischen Hisbollah. Die Auseinandersetzungen haben sich seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der ebenfalls vom Iran unterstützten Hamas im Gazastreifen massiv verstärkt.
Der Krieg war durch den beispiellosen Überfall der von der EU und der USA als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Dabei waren israelischen Angaben zufolge rund 1160 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Laut einer AFP-Zählung werden noch 130 Geiseln im Gazastreifen festgehalten.
Israel reagierte auf den Angriff mit einem massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Dabei wurden nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mindestens 28.576 Menschen getötet.
Der Konflikt im Nahen Osten wird auch Thema bei der Münchner Sicherheitskonferenz ab Freitag sein. "Wir können die Hinterzimmer öffnen, dass man dort zusammenkommt", sagte deren Leiter Christoph Heusgen. Der israelische Präsident Isaac Herzog und andere wichtige Akteure seien vor Ort.
S.O'brien--TNT