FDP will EU-Entwurf für Lieferkettengesetz beerdigen und Neustart nach Europawahl
Die FDP will die auf EU-Ebene fertig ausgehandelte Lieferkettenrichtlinie verhindern. Das Gesetz sei in der bisherigen Form "unzumutbar für kleine und mittelständische Unternehmen" und er habe "keine Fantasie", wie dies ausgeglichen werden könne, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warb am Freitag dennoch um Unterstützung für das Vorhaben: "Wir können und sollten es uns in Europa zutrauen, uns auf den Weg hin zu fairen globalen Lieferketten zu machen."
Der beim Lieferkettengesetz federführende Bundesarbeitsminister, Hubertus Heil (SPD), hatte der FDP zuvor bereits ein "Kompromisspaket" vorgeschlagen. Unternehmen könnte demnach die Risikoanalyse erleichtert werden. Außerdem würde die Bundesregierung betroffenen Firmen mehr Beratungs- und Informationsangebote liefern. Auch Schulze sicherte erneut mehr Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Regeln zu.
Buschmann machte jedoch klar, dass seine Partei alles daran setzt, die europäische Lieferkettenrichtlinie zu verhindern. Die Belastungen für Unternehmen seien zu groß. Deutschland werde dem auf EU-Ebene nicht zustimmen.
Die 27 EU-Staaten und das Europaparlament hatten sich Mitte Dezember auf die Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Danach müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe künftig negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt ermitteln und die Folgen beheben. Außerdem werden sie verpflichtet, die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei Partnerunternehmen in Drittländern zu überwachen.
Der Einigung müssen der Rat der EU-Mitgliedstaaten und das Parlament noch zustimmen. Dies gilt in der Regel als Formalie und sollte seitens der Mitgliedstaaten in der kommenden Woche geschehen. Wegen der Blockade der FDP müsste sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten, was wie eine Gegenstimme gewertet wird.
Diplomaten in Brüssel zufolge könnte unter anderem das bevölkerungsreiche EU-Land Italien sich ebenfalls gegen das Gesetz positionieren. Weitere kleinere EU-Länder könnten dem Beispiel Deutschland folgen. Eine Mehrheit für das Gesetz auf EU-Ebene ist jedenfalls nicht mehr gesichert.
In Deutschland gilt bereits seit Anfang 2023 ein nationales Lieferkettengesetz, das noch von der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verabschiedet worden war. Es verpflichtet Unternehmen, auf die Einhaltung internationaler Standards zu Menschenrechten und Umwelt entlang der eigenen Lieferkette zu achten.
Viele Wirtschaftsverbände kritisieren das deutsche Gesetz scharf und befürchten weitere Auflagen durch die europäischen Regeln. Aus ihrer Ablehnung für das deutsche Gesetz hat auch die FDP bislang keinen Hehl gemacht. Der Einsatz der Bundesregierung für eine europäische Regelung ist aber im Koalitionsvertrag verankert - laut FDP sollte es dabei auch darum gehen, die deutschen Regeln zu "verbessern", was mit dem derzeitigen Entwurf aber nicht geschehe.
"Deshalb meine ich, es wäre besser, diesen Entwurf beiseite zu legen", sagte Buschmann. Die FDP setzt demnach auf einen "frischen Start" für ein EU-Lieferkettengesetz nach der Wahl zum EU-Parlament im Juni und einer neu besetzten EU-Kommission. "Dann gäbe es die Möglichkeit, einen bürokratieschonenden, schlanken Entwurf auf den Weg zu bringen", sagte der Justizminister.
S.Clarke--TNT