Orban lenkt ein: EU unterstützt Ukraine mit 50 Milliarden Euro
Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat eingelenkt: Beim EU-Sondergipfel in Brüssel stimmte er nach wochenlanger Blockade Wirtschaftshilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro zu. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte den dadurch ermöglichten einstimmigen EU-Beschluss eine "gute Botschaft für die Ukraine". Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj dankte den Verbündeten, kritisierte aber die ausbleibenden Munitionslieferungen der Europäer.
"Deal" hieß es nur sechs Minuten nach Beginn des Sondergipfels, der nach einem Veto Orbans gegen die Ukraine-Hilfen bei einem Treffen im Dezember nötig geworden war. Den Durchbruch ermöglichte ein Treffen in kleiner Runde mit Orban, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und anderen. Die europäischen Hilfen über vier Jahre sollen die Ukraine vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch bewahren. Das Land kann damit etwa Krankenhäuser und Schulen finanzieren.
Die dafür beschlossene Erweiterung des EU-Haushaltsrahmens bis 2027 sieht zudem zusätzliche Milliarden für den Außengrenzschutz Europas und für Migrationsabkommen mit Drittländern wie Ägypten und Tunesien vor sowie für Investitionen im Verteidigungsbereich.
Präsident Selenskyj wandte sich nach der Gipfeleinigung per Video an die Verbündeten und sagte, die Einigung stärke die "Glaubwürdigkeit" der EU. Kritik übte er allerdings an dem gebrochenen Versprechen der Europäer, der Ukraine bis Ende März eine Million Artilleriegeschosse zu liefern. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte zuvor eingeräumt, dies lasse sich frühestens zum Jahresende erreichen. Bisher sind nur 330.000 Geschosse geliefert.
Als "Priorität" bezeichnete Selenskyj auch geplante fünf Milliarden Euro für den gemeinsamen europäischen Waffenhilfe-Fonds für die Ukraine. Bisher gibt es keine Einigung, weil Deutschland kein frisches Geld für die sogenannte Friedensfazilität geben will. EU-Länder wie Estland warnen, damit sei der Fonds tot.
Trotz der Kritik äußerten sich die Gipfelteilnehmer erleichtert über das Einlenken Orbans. Von einem "guten Tag für Europa" sprach EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Scholz sagte, die Bürger wollten bei allen Streitigkeiten in Deutschland und der EU auch mal hören, dass etwas klappt - "und nun hat es geklappt".
Die anderen 26 Länder gestanden Orban nach EU-Angaben die Möglichkeit zu, nach zwei Jahren erneut auf Chefebene über die Ukraine-Hilfen zu diskutieren. Die Hürden sind aber hoch: Schon dem Abhalten einer Debatte müssten alle Länder zustimmen. Auch mögliche Änderungen an dem Hilfspaket erfordern Konsens, was als ausgeschlossen gilt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, der ungarische Rechtspopulist habe "kein Geschenk" erhalten. Orban selbst behauptete allerdings in einem Online-Video, er habe den Partnern Zusicherungen abgerungen. "Wir haben die Garantie erhalten, dass Ungarns Geld nicht in der Ukraine landet."
Orban hatte noch im Dezember die Freigabe von 20 Milliarden Euro für sein Land verlangt, welche die EU wegen Rechtsstaats-Verstößen in Ungarn eingefroren hat. Nun behauptete er, die Europäer hätten Pläne gehabt, die Mittel an die Ukraine weiterzuleiten. Kein anderer Gipfelteilnehmer bestätigte dies.
In der Kritik steht Orban auch, weil er weiter Kontakt zum russischen Präsidenten Wladimir Putin hält, im vergangenen Jahr ließ er sich sogar beim Handschlag mit dem Kreml-Chef ablichten. Auf Nato-Ebene ist Ungarn zudem das letzte Land, das den Beitritt Schwedens zum Militärbündnis nicht ratifiziert hat.
Vor dem Gipfel hatten sich viele Länder noch frustriert und genervt über Orbans Veto-Politik geäußert. Der polnische Regierungschef Donald Tusk sagte: "Wir sind nicht Ukraine-müde, wir sind Orban-müde." Finnlands Regierungschef Petteri Orpo betonte: "Niemand darf 26 andere Länder erpressen."
Bundeskanzler Scholz drängte die Partner auf dem Gipfel auch zu mehr Waffenhilfe für die Ukraine. Alle müssten "mehr tun", sagte er. Deutschland hat Kiew in diesem Jahr gut sieben Milliarden Euro zugesagt und steht damit nach Darstellung des Kanzlers europaweit einsam an der Spitze. Konkrete Zusagen anderer Länder erhielt er auf dem Gipfel nicht.
Am Rande des Gipfels blockierten Landwirte mit bis zu 1300 Traktoren Brüsseler Straßen rund um das EU-Parlament. Von der Leyen sagte den Bauern weniger Bürokratie zu.
A.M.Murray--TNT