Bagdad verurteilt Irans Angriffe auf Nordirak - Teheran spricht von "gezielter Operation"
Nach iranischem Raketenbeschuss auf die autonome Kurdenregion im Norden des Irak hat Bagdad dem Iran einen Angriff auf die "Souveränität seines Landes" vorgeworfen. Das Vorgehen der iranischen Revolutionsgarden sei zudem ein "Angriff auf die Sicherheit des Volkes", erklärte das irakische Außenministerium am Dienstag. Die Führung in Teheran erklärte, bei den Angriffen auf den Nordirak sowie Ziele im Nachbarland Syrien habe es sich um eine "gezielte Operation" mit Präzisionswaffen gehandelt.
Irans staatlicher Nachrichtenagentur Irna zufolge zerstörten die Revolutionsgarden bei ihrem Raketenangriff ein "Spionagehauptquartier" des israelischen Geheimdienstes Mossad am Stadtrand von Erbil, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Irak. Zudem seien Raketen auf Versammlungsorte von Kommandeuren der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien abgefeuert worden.
Laut den Behörden der autonomen Kurdenregion im Nordirak wurden in Erbil mindestens vier Zivilisten getötet sowie sechs weitere verletzt. Unter den Toten waren demnach auch der bekannte Geschäftsmann Peschraw Disajee, dessen Ehefrau und weitere Familienmitglieder. Ihr Haus sei direkt getroffen worden.
Der nationale Sicherheitsberater des Irak, Kassem al-Aradschi, wies nach einem Besuch vor Ort die iranischen Schilderungen von der Zerstörung einer Basis des israelischen Geheimdienstes zurück. "Wir haben das Haus besucht, jeden Winkel untersucht und alles deutet darauf hin, dass es das Familienhaus eines irakischen Geschäftsmanns war", sagte er dem kurdischen Fernsehsender K24.
Als Reaktion auf die iranischen Angriffe berief der Irak den iranischen Botschafter ein und zog zudem seinen Botschafter Nassir Abdel Mohsen aus Teheran ab. Weiter kündigten die Behörden an, "alle notwendigen rechtlichen Schritte" zu ergreifen, darunter auch eine Beschwerde beim UN-Sicherheitsrat.
Verurteilt wurden die Angriffe auch durch die Regierungen in Washington und London. "Wir lehnen Irans rücksichtslose Raketenangriffe ab, die die Stabilität des Irak untergraben", erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Der britische Außenminister David Cameron bezeichnete den Raketenbeschuss als "ungerechtfertigt". Teherans Vorgehen sei ein "nicht akzeptabler Verstoß gegen die Souveränität und territoriale Integrität des Irak", betonte er.
Die Revolutionsgarden bezeichneten die Angriffe als Vergeltungsaktion für die jüngsten Angriffe auf den Iran und die "Achse des Widerstands" - ein gegen Israel gerichtetes Bündnis von mit dem Iran verbündeten Gruppen wie der radikalislamischen Hamas, der Hisbollah-Miliz und den Huthi-Rebellen im Jemen.
Im Dezember war ein hochrangiger General der iranischen Revolutionsgarden bei einem israelischen Luftangriff in Syrien getötet worden. Anfang Januar waren im Libanon die Nummer zwei der Hamas, Saleh al-Aruri, und sechs weitere hochrangige Mitglieder der Palästinenserorganisation bei einem Israel zugeschriebenen Angriff getötet worden; wenige Tage später meldete die libanesische Hisbollah den Tod ihres Kommandeurs Wissam Hassan Tawil.
Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober hat sich die Lage in der Region verschärft. Vom Iran unterstützte militante Gruppen griffen im Irak und in Syrien mehrfach von der US-Armee genutzte Stützpunkte an. Washington reagierte darauf mit Raketenangriffen auf Stellungen der Milizen.
Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation vom Gazastreifen aus nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Als Reaktion auf den Angriff erklärte Israel der Hamas den Krieg und startete eine massive Militärkampagne im Gazastreifen.
B.Cooper--TNT