Debatten über Verbotsverfahren gegen AfD - Rufe nach inhaltlicher Auseinandersetzung
Nach den Berichten über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert die Politik weiter über ein Verfahren zu einem Parteiverbot. Führende Vertreter von Union und FDP sprachen sich am Montag aber gegen einen solchen Schritt aus und plädierten für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. Aus der SPD gab es aber auch Forderungen, ein Verbot in Erwägung zu ziehen.
Mit einem Verbotsverfahren würde sich die AfD "zum Opfer stilisieren", sagte die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, nach einer Präsidiumssitzung der Partei. "Wir nehmen den Fehdehandschuh auf und wollen sie politisch stellen." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verlangte, es müssten Probleme im Zusammenhang mit der Migration gelöst werden, um die AfD thematisch zu bekämpfen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hielt ein Verbotsverfahren "für den falschen Weg". Der CSU-Vorsitzende forderte stattdessen eine andere Politik der Bundesregierung. Denn die AfD nutze die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Dem müsse der Boden entzogen werden durch eine andere Politik. Am Wochenende hatte auch CDU-Chef Friedrich Merz ein Verbotsverfahren abgelehnt und gewarnt, dieses würde Jahre dauern und die AfD nur "in ihrer Märtyrerrolle" bestärken.
Man müsse das Erstarken der AfD "als Auftrag sehen, als demokratische Parteien besser zu werden", sagte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in Berlin. "Wir brauchen eine breite Mehrheit, die einsteht für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie", rief sie auch zu mehr zivilgesellschaftlichem Engagement auf.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gab zu bedenken, ein Parteienverbot sei "eines der schärfsten Schwerter", das zur Verfügung stehe. "Wenn die Verfassungsorgane zu der Überzeugung gelangen, die AfD oder andere seien gesichert verfassungsfeindlich, dann kann und muss in Richtung eines Parteienverbots agiert werden", fügte er aber hinzu.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) warnte vor der Gefahr eines Scheiterns eines Verbotsverfahrens. Es sollte "nur dann angestoßen werden, wenn es nach menschlichem Ermessen sicher zum Erfolg führt", sagte Rehlinger der "Welt". "Ein Verbotsverfahren darf kein Bumerang werden", warnte auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Linken-Parteichefin Janine Wissler mahnte vor allem zu einer scharfen Abgrenzung von der AfD. Dies sei "insbesondere eine Aufforderung an die Union", sagte sie in Berlin. Sie warnte auch vor Entgegenkommen an Forderungen von Rechtsaußen etwa im Bereich von Asyl und Migration.
Die Debatte über ein Parteiverbot war durch Recherchen der Plattform Correctiv über ein Geheimtreffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern im November in einer Villa bei Potsdam befeuert worden. Dort soll über die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gesprochen worden sein.
An dem Treffen nahmen den Recherchen zufolge unter anderem der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, und der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, teil. Am Sonntag hatten in Berlin, Potsdam und weiteren Städten tausende Menschen aus Anlass der Berichte über das Treffen gegen Rechts und für Demokratie demonstriert.
Juristische Organisationen verurteilten das Treffen am Montag scharf. "Was im November im kleinen Kreis nahe Potsdam entworfen wurde, ist mehr als nur eine schauerliche Vision", erklärten der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltverein und vier weitere Organisationen. "Es ist ein Angriff auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat."
D.S.Robertson--TNT