Thierse für Prüfung von AfD-Verbotsverfahren - Merz warnt vor "Scheindebatte"
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) plädiert für die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD. "Wenn der Verfassungsschutz in drei Bundesländern die AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, dann hat der Staat die Pflicht, ein Verbot der AfD zu prüfen", sagte Thierse dem "Tagesspiegel" vom Donnerstag. Kritik an der Forderung kam von CDU-Parteichef Friedrich Merz und auch aus der FDP.
Thierse räumte ein, dass ein Verbotsverfahren wohl "viele Jahre" dauern werde. Es gebe auch die Gefahr, dass die AfD dieses "propagandistisch erheblich ausschlachten" und "sich als Opfer stilisieren" werde.
Die sächsische Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die dortige Landtagswahl, Petra Köpping, stellt sich in der Debatte auf die Seite Thierses. "Wir sollten die Chancen eines AfD-Verbots regelmäßig prüfen", sagte Köpping dem Magazin "Spiegel". Das NPD-Verbotsverfahren sei gescheitert, weil die Partei nur auf geringe Wahlergebnisse kam und damit keine Gefahr darstellte. "Das sehe ich bei der AfD anders", sagte Köpping. Die AfD sei stark und eine "Gefahr für die Demokratie."
SPD-Chefin Esken spricht sich schon seit längerem für eine regelmäßige Prüfung eines AfD-Verbots aus. Ihr Parteikollege Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, warnte dagegen kürzlich davor. "Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr", sagte Schneider der "Süddeutschen Zeitung".
Auch Köpping schränkte ein, es müsse vermieden werden, ohne Wenn und Aber ein Verbotsverfahren anzustreben, "denn ein Scheitern wäre fatal für das gesellschaftliche Klima". Die Stärke der AfD in Sachsen sei nicht neu, so Köpping. In der Corona-Pandemie habe es "massive Kampagnen" gegen das Impfen und gegen die Schutzmaßnahmen gegeben. "Dieser heftige Populismus zerfrisst die Demokratie", sagte Köpping.
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz sprach sich indes scharf gegen ein AfD-Verbotsverfahren aus. "Mich macht das einigermaßen fassungslos. Solche Scheindebatten sind doch Wasser auf die Mühlen der AfD", sagte dem "Münchner Merkur" (Freitagsausgabe). Über die Äußerungen Eskens sagte Merz: "Hat Frau Esken vergessen, wie das NPD-Verbotsverfahren ausgegangen ist? Und glaubt die SPD-Vorsitzende allen Ernstes, dass man eine Partei, die in Umfragen an die 30 Prozent heranreicht, einfach verbieten kann?"
Das sei "schon eine beängstigende Verdrängung der Wirklichkeit", sagte Merz. Das einzig wirksame Konzept sei: "Die Politik muss vernünftige Lösungen für die Probleme hinbekommen, dann wird auch die AfD wieder kleiner."
Auch der FDP-Rechtspolitiker Philipp Hartewig ist gegen ein AfD-Verbotsverfahren. Er halte davon "leider recht wenig, auch wenn die Gefahr durch die AfD enorm ist", sagte Hartewig dem "Tagesspiegel". "Hier machen mir aus den Erfahrungen von vor Ort nicht nur Ergebnisse und Umfragen Sorgen, sondern vor allem deren absolute Deutungshoheit in einem Großteil der Meinungsbilder in der Bevölkerung."
Im September dieses Jahres finden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen statt. Die AfD könnte Umfragen zufolge in allen drei Bundesländern stärkste Kraft werden. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt als "gesichert rechtsextremistisch" ein.
N.Johns--TNT