Furcht vor Ausweitung des Gaza-Kriegs nach Anschlag im Iran und Tötung von Hamas-Vize
Nach einem Bombenanschlag im Iran mit mehr als hundert Toten und der Tötung von Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri im Libanon wächst die Furcht vor einer Ausweitung des Gaza-Kriegs. Bei der Explosion zweier Bomben im südiranischen Kerman wurden am Mittwoch nach iranischen Staatsmedien mehr als hundert Menschen getötet und mehr als 180 weitere verletzt. Derweil drohte die mit der Hamas verbündete pro-iranische Hisbollah im Libanon mit Vergeltung für die Tötung von al-Aruri am Vortag.
Der Bombenanschlag im Iran ereignete sich in der Nähe der Saheb-al-Saman-Moschee in Kerman, in der sich das Grab des 2020 von den USA getöteten Generals Kassem Soleimani befindet. Dort hatten sich am Mittwoch an dessen viertem Todestag zahlreiche Menschen versammelt.
Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim berichtete unter Berufung auf informierte Kreise, es seien zwei Bomben in Taschen offenbar ferngezündet worden. Die Sprengsätze explodierten offenbar im Abstand von etwa 15 Minuten. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat.
Im Juli 2023 hatte allerdings das iranische Geheimdienstministerium laut amtlicher Nachrichtenagentur Irna erklärt, es habe eine "Spionageorganisation mit Verbindungen zu Israel" zerschlagen. Diese habe "Terroreinsätze" geplant, unter anderem eine Explosion an Soleimanis Grab.
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi erklärte, es bestehe "kein Zweifel, dass die Urheber dieses feigen Akts bald identifiziert und bestraft werden". Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Chamenei machte die "bösen und kriminellen Feinde der iranischen Nation" verantwortlich und kündigte eine "scharfe Reaktion" an.
Die Führung in Teheran sprach von einer "terroristischen Tat" und rief für Donnerstag einen landesweiten Trauertag aus. Bereits am Mittwochabend versammelte sich eine Menschenmenge am Anschlagsort und rief "Tod Israel" und "Tod den USA".
Der russische Präsident Wladimir Putin sprach von "Terrorismus", den er "aufs Schärfste" verurteile. Trotz ihres gespannten Verhältnisses zum Iran verurteilte auch die EU den Anschlag als "Terrorakt" und sprach dem Iran ihre "Solidarität" aus. Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Anschlag nachdrücklich.
Erst einen Tag zuvor war in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut die Nummer zwei der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas getötet worden. Laut einem über die vorläufigen Ermittlungen informierten libanesischen Sicherheitsbeamten wurden al-Aruri und sechs weitere Hamas-Funktionäre mit israelischen Lenkraketen getötet, andere Quellen sprachen von einer israelischen Drohne.
Der 57-jährige Hamas-Vizechef galt als wichtiger Militärstratege der Palästinenserorganisation und als einer ihrer Anführer im Westjordanland. Israel macht ihn für die Planung zahlreicher Anschläge verantwortlich.
Die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon, die wiederum vom Iran unterstützt wird, drohte mit Vergeltung. Sie werte al-Aruris "Ermordung" als "schweren Angriff auf den Libanon", der nicht ungestraft bleibe. Der libanesische Regierungschef Nadschib Mikati sprach von einem "israelischen Verbrechen", mit dem sein Land in eine "neue Phase der Konfrontation" hineingezogen werden solle.
Israel äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Armeesprecher Daniel Hagari betonte, Israel bleibe "konzentriert auf den Kampf gegen die Hamas", sei aber zugleich "in hohem Maße auf jedes Szenario" vorbereitet.
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor drei Monaten greift auch die Hisbollah Israel nahezu täglich vom Südlibanon aus an. Die israelische Armee reagiert auf die Angriffe mit verstärkten Luftangriffen im Libanon und in Syrien. Bislang beschränkten sich die Gefechte auf die Grenzgebiete im Südlibanon. International wächst nun aber die Sorge, dass sich nach dem ersten Angriff auf die libanesische Hauptstadt seit Kriegsbeginn der Krieg auch auf den Libanon ausweiten könnte.
Die UN-Friedenstruppe Unifil im Libanon befürchtete am Mittwoch "verheerende Folgen" einer möglichen Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah. In Berlin tagte der Krisenstab. "Eine Eskalation an der Grenze zwischen Israel und Libanon ist nicht auszuschließen", erklärte das Auswärtige Amt im Onlinedienst X. Es rief alle trotz Reisewarnung im Libanon verbliebenen deutschen Staatsangehörigen auf, "auf schnellstem Wege auszureisen".
Am 7. Oktober hatten hunderte Hamas-Kämpfer in einem beispiellosen Angriff Israel überfallen. Dabei wurden rund 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel greift seither in einer massiven Militärkampagne Ziele im Gazastreifen an und tötete nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 22.300 Menschen.
Am Mittwoch setzte die Armee ihre Angriffe fort, , unter anderem in der südlichen Stadt Rafah nahe der Grenze zu Ägypten. Derweil bekräftigte der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, die Drohung seines Landes, mit allen Planern und Drahtziehern des Überfalls vom 7. Oktober "abzurechnen".
N.Taylor--TNT