Netanjahu sagt zum Jahresende noch viele Monate Krieg im Gazastreifen voraus
Mit erneutem Beschuss und kaum Hoffnung auf Frieden ist das Jahr im Gazastreifen und in Israel zu Ende gegangen. Die israelische Armee griff in der Nacht zu Sonntag Ziele in der Stadt Gaza an und tötete dabei nach Angaben der radikalislamischen Hamas mindestens 40 Menschen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu stimmte seine Landsleute darauf ein, dass der Krieg noch "viele Monate" dauern werde.
Nach dem nächtlichen Beschuss in Gaza seien 18 Leichen geborgen worden, erklärte das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium im Gazastreifen. Es ging von insgesamt mindestens 40 Toten aus. Ein Augenzeuge berichtete, er habe "überall" Tote gesehen: "Kinder werden vermisst, wir können sie nicht finden."
Zudem wurden Angriffe auf die Flüchtlingslager Al-Sawayda und Al-Mughasi im Zentrum des Gazastreifens mit zahlreichen Toten gemeldet. Dabei wurde laut palästinensischer Nachrichtenagentur Wafa und Hamas-Gesundheitsministerium auch der 68-jährige Jussef Salama getötet, der demnach früher als Minister für religiöse Angelegenheiten der im Westjordanland regierenden Palästinensischen Autonomiebehörde angehörte.
Die israelische Armee erklärte am Sonntag, sie habe etwa ein Dutzend feindliche Kämpfer bei Bodengefechten, Luft- und Panzerangriffen getötet. Die Soldaten hätten weitere Hamas-Tunnel entdeckt und in einem Kindergarten deponierte Sprengsätze entschärft.
Die israelischen Streitkräfte befänden sich in einem "komplexen Kampf", sagte Regierungschef Netanjahu am Samstag. "Der Krieg wird noch viele Monate andauern, bis die Hamas ausgeschaltet ist und die Geiseln zurückgebracht werden." Er wolle "dafür sorgen, dass der Gazastreifen keine Bedrohung mehr für Israel" sei.
Auf den Vorwurf Südafrikas, Israel begehe im Gazastreifen einen Genozid, entgegnete Netanjahu am Sonntag, sein Land führe einen Krieg, "dessen Gerechtigkeit und Moralität ohne Gleichen ist". Druck erfährt Netanjahu auch im eigenen Land. Am Samstagabend forderten ihn mehr als tausend Demonstranten in Tel Aviv erneut auf, alle Hamas-Geiseln nach Hause nach Israel zu bringen.
Nach UN-Angaben befinden sich wegen der Kämpfe 85 Prozent der 2,4 Millionen Einwohner des Gazastreifens auf der Flucht. Das Risiko für Krankheiten und eine Hungersnot wachse.
Der aus Chan Junis stammende 33-jährige Mahmud Abu Schahma, der in ein Flüchtlingslager in Rafah geflohen ist, formulierte seinen Wunsch für das Neue Jahr so: "Wir hoffen auf das Ende des Krieges und dass wir nach Hause zurückkehren und friedlich dort leben können."
Auch die Silvesterfeiern in Israel werden von dem Krieg überschattet. Die Bars in Tel Aviv haben zwar die Nacht über auf, allerdings dürfte die Feierstimmung unter anderem dadurch getrübt werden, dass zehntausende junge Soldaten in den Gazastreifen an die Front geschickt wurden.
Hunderte Kämpfer der auch von der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Nach israelischen Angaben wurden etwa 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt, von denen sich 129 noch in der Gewalt der Hamas befinden sollen.
Israel bombardiert seither Ziele im Gazastreifen. Das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium erklärte am Sonntag, seit Kriegsbeginn seien im Gazastreifen mindestens 21.822 Menschen getötet und 56.451 weitere verletzt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Katar und Ägypten, die für Ende November eine einwöchige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgehandelt hatten, bemühen sich derzeit um eine weitere Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln. Die Palästinenser gäben ihre Antwort auf den Vermittlungsvorschlag "in den nächsten Tagen", sagte der Generalsekretär der mit der Hamas verbündeten Gruppe Islamischer Dschihad, Mohammed al-Hindi.
L.Johnson--TNT