Architekt der modernen EU: Früherer Kommissionspräsident Jacques Delors gestorben
Er gilt als Architekt der modernen EU und Gründervater des Euro: Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors ist tot. Der Franzose starb am Mittwoch im Alter von 98 Jahren in seinem Haus in Paris, wie seine Tochter Martine Aubry der Nachrichtenagentur AFP sagte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte Delors als "unerschöpflichen Baumeister unseres Europas", Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte ihn einen "Visionär".
Der am 20. Juli 1925 in Paris geborene französische Sozialist war von 1981 bis 1984 Wirtschafts- und Finanzminister unter Präsident François Mitterrand, bevor er 1985 nach Brüssel ging. Von 1985 bis 1995 setzte er sich an der Spitze der EU-Kommission maßgeblich dafür ein, die Idee der europäischen Integration wiederzubeleben und voranzutreiben.
Als seine Verdienste gelten die Vollendung des EU-Binnenmarkts, die Unterzeichnung des Schengener Abkommens und der Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), die zur Einführung des Euro führte.
Später gründete Delors Denkfabriken in Brüssel, Paris und Berlin, die das Ziel verfolgten, den europäischen Föderalismus zu fördern. Der überzeugte Europäer warnte in den vergangenen Jahren wiederholt vor den Gefahren des Populismus in Europa und rief zu "Mut" im Umgang mit den Folgen des Brexit auf. Noch im März 2020 forderte er die EU-Staats- und Regierungschefs zu mehr Solidarität auf, als diese über eine gemeinsame Antwort auf die Corona-Pandemie stritten.
"Sein Engagement, seine Wertvorstellungen und seine Aufrichtigkeit werden uns für immer inspirieren", schrieb Frankreichs Präsident Macron auf X, vormals Twitter. Bundeskanzler Scholz erklärte in dem Online-Netzwerk, Delors sei "als Visionär zum Baumeister der EU" geworden und fügte hinzu, es sei "unsere Verantwortung das Werk zum Wohle Europas weiterzuführen".
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte Delors einen "Visionär, der unser Europa stärker gemacht hat". Sein Werk habe "Generationen von Europäern" geprägt. EU-Ratspräsident Michel erklärte, Delors habe die EU in eine "wahre Gemeinschaft umgewandelt, die auf humanistischen Werten beruht und sich auf einen einheitlichen Markt und eine einheitliche Währung stützt". Er gehe als einer der "Baumeister der EU" in die Geschichte ein.
Im eigenen Land verzichtete Delors 1995 auf eine Präsidentschaftskandidatur für die Sozialisten, obwohl er in den Umfragen vorne lag. Er begründete die Entscheidung mit dem "zu großen Wunsch nach Unabhängigkeit". In Magazin "Le Point" erklärte er 2021 dazu: "Ich bereue diese Entscheidung nicht, aber ich behaupte nicht, dass ich richtig lag."
Gemeinsam mit der 2020 verstorbenen Marie Lephaille hatte Delors zwei Kinder: Die 1950 geborene Martine Aubry, die heute Bürgermeisterin der nordfranzösischen Stadt Lille ist, und den 1953 geborenen Jean-Paul, der 1982 an Leukämie verstarb.
V.Allen--TNT