Israel und Hamas arbeiten an einer neuen Feuerpause im Gazakrieg
Im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas zeichnet sich auf beiden Seiten eine grundsätzliche Bereitschaft zu einer erneuten Feuerpause ab. Hamas-Chef Ismail Hanija traf am Mittwoch zu Gesprächen in Ägypten ein, das als ein wichtiger Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern gilt. Zuvor hatte Israels Staatschef Isaac Herzog erklärt, sein Land sei "bereit zu einer neuen humanitären Pause und zusätzlicher humanitärer Hilfe, um eine Freilassung der Geiseln zu ermöglichen".
Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Hamas-Kreisen erfuhr, wollte der in Katar lebende Hanija mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Abbas Kamel "über die Beendigung der Aggression und des Krieges, die Vorbereitung eines Abkommens über die Freilassung von Gefangenen und das Ende der Belagerung des Gazastreifens" sprechen.
Weiter hieß es, Hanija wolle "mehrere Vorschläge" unterbreiten, darunter eine "vorläufige einwöchige Waffenruhe" im Austausch gegen die Freilassung von 40 israelischen Geiseln, darunter Frauen, Kinder und Männer, die nicht der Armee angehören.
Vor seiner Abreise war Hanija in Doha mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir Abdollahian zusammengekommen, wie auf von Teheran verbreiteten Bildern zu sehen war. Details über das Treffen gab es zunächst nicht. Aus dem Umfeld der mit der Hamas verbündeten militanten Palästinensergruppe Islamischer Dschihad verlautete, dass auch deren Chef Siad al-Nachala zu Beginn der kommenden Woche nach Ägypten reisen werde.
Im November waren im Zuge einer von Katar, Ägypten und den USA vermittelten einwöchigen humanitären Feuerpause 105 Geiseln und 240 in Israel inhaftierte Palästinenser freigekommen.
Nach israelischen Angaben befinden sich derzeit noch 129 Geiseln im Gazastreifen. Bei einem Treffen mit den Familien der Geiseln betonte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, sein Geheimdienstchef David Barnea arbeite an einer Freilassung aller Verschleppten.
Wie AFP aus Verhandlungskreisen erfuhr, traf sich Barnea in dieser Woche mit dem Leiter des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, Bill Burns, sowie Katars Regierungschef Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani im polnischen Warschau. Die Gespräche dauern demnach an und verfolgen das Ziel "einer Einigung über die Freilassung der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln im Austausch für eine Feuerpause und die mögliche Freilassung von palästinensischen Häftlingen".
Auf internationaler Ebene wollte der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch seine Beratungen über eine neue Resolution zum Gazakrieg mit dem Aufruf zu einer Feuerpause fortsetzen. Die geplante Abstimmung war bereits zweimal vertagt worden. Die Mitglieder ringen um eine geeignete Formulierung, um ein Veto der USA, dem wichtigsten Verbündeten Israels, zu vermeiden.
Der ursprünglich von den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgelegte Resolutionsentwurf hatte eine "dringende und dauerhafte Einstellung der Kämpfe" gefordert. In der nun abgeänderten Version ist laut Informationen aus Diplomatenkreisen nur noch von einer "Aussetzung" der Kämpfe die Rede.
Israel und die Hamas befinden sich seit mehr als zwei Monaten im Krieg. Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas in israelische Orte eingedrungen und hatten dort Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden rund 1140 Menschen getötet und etwa 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion bombardiert die israelische Armee seither Ziele im Gazastreifen und startete eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 19.660 Menschen getötet.
Unterdessen gingen die Kämpfe im Gazastreifen am Mittwoch weiter. Das israelische Militär meldete Häuserkämpfe und mehr als 300 Angriffe innerhalb eines Tages. Diese richteten sich demnach gegen "dutzende Terroristen und terroristische Infrastrukturen", darunter Raketenabschussgebiete und militärische Kontrollzentren in Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets.
Die Hamas meldete Angriffe auf die südlichen Orte Rafah und Chan Junis, Deir al-Balah im Zentrum des Küstenstreifens sowie auf die Stadt Gaza im Norden. Laut Hamas-Angaben wurden dabei mindestens elf Menschen getötet.
Durch die andauernden Kämpfe verschärft sich die humanitäre Lage im Gazastreifen zunehmend: Nach UN-Angaben ist ein Großteil der Krankenhäuser außer Betrieb, knapp 85 Prozent der insgesamt 2,4 Millionen Bewohner sind zum Schutz vor den Kämpfen in den Süden des Küstenstreifens geflüchtet. Die Hälfte der Bevölkerung leidet demnach unter extremem oder schwerem Hunger.
Am Mittwoch gab das UN-Welternährungsprogramm (WFP) bekannt, dass erstmals ein Konvoi mit 750 Tonnen Lebensmitteln aus Jordanien den Gazastreifen erreicht habe. Die israelische Behörde für zivile Angelegenheiten in den besetzten Gebieten (Cogat) kündigte zudem den Bau einer Pipeline für die Lieferung von Trinkwasser aus einer mobilen Entsalzungsanlage in Ägypten an.
F.Harris--TNT