Rechte von Bundeskriminalamt zu Terrorabwehr beschäftigen Bundesverfassungsgericht
Über die Frage, wie weit das Bundeskriminalamt bei der Überwachung von Bürgern und dem Umgang mit ihren Daten gehen darf, hat am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht verhandelt. Strafverteidigerinnen, Aktive aus der Fußballfanszene und ein politischer Aktivist zogen mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte nach Karlsruhe. Sie befürchten, dass sie heimlich überwacht werden oder unverschuldet in einer zentralen polizeilichen Datenbank landen könnten. (Az. 1 BvR 1160/19)
Zur Terrorabwehr dürfen in bestimmten Fällen auch Menschen überwacht werden, die nicht selbst verdächtig sind, sondern lediglich mit Verdächtigen in Verbindung stehen. Dazu können beispielsweise V-Leute eingesetzt werden. Diese Regelung erlaube die Überwachung von zu vielen Menschen, sagte der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführenden, Bijan Moini, vor Gericht.
Außerdem ging es in Karlsruhe um die Frage, welche Daten zu Einzelnen im Informationssystem des BKA und in einer zentralen polizeilichen Datenbank gespeichert und genutzt werden dürfen. Das Gesetz erlaubt beispielsweise die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Betreffenden in naher Zukunft Straftaten begehen.
Eine Beschwerdeführerin, Fan des Fußballvereins 1860 München, berichtete vor der Verhandlung, dass sie als Verdächtige in eine Polizeidatenbank geraten sei, ohne sich jemals strafbar gemacht zu haben. Sie setze sich vielmehr gegen Gewalt im Stadion ein. Nun könne jede Polizeikontrolle "sehr unangenehm" werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte die Befugnisse des BKA mit dem Schutz von Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise vor Anschlägen. "Neue Kriminalitätsphänomene brauchen auch Antworten des Staats", sagte sie vor der Verhandlung in Karlsruhe. Die Sicherheitslage in Deutschland habe sich verändert.
Die zentrale Datensammlung sei auch eine Lehre aus den Morden der rechtsextremistischen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die jahrelang nicht aufgeflogen war. Während einer laufenden Ermittlung solle keine Zeit damit verloren gehen, unterschiedliche Datensysteme zu verknüpfen, argumentierte die Ministerin vor Gericht.
Das Verfassungsgericht beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit dem BKA-Gesetz. 2016 verwarf es eine frühere Fassung teilweise. Später wurde das Gesetz reformiert. Nun muss das Gericht prüfen, ob die Neufassung mit dem Grundgesetz, konkret dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vereinbar ist.
Das führe den Ersten Karlsruher Senat "einmal mehr in das Spannungsfeld zwischen dem Sicherheitsauftrag des Staats und dem Schutz individueller Freiheitsrechte", kündigte Gerichtspräsident Stephan Harbarth an. Ein Urteil wurde für Mittwoch nicht erwartet. Es ergeht meist einige Monate nach der mündlichen Verhandlung.
P.Sinclair--TNT