Vorwürfe gegen israelisches Vorgehen im Gazastreifen mehren sich
Vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Nahost-Krieg haben sich am Montag die Vorwürfe gegen Israel gemehrt: "Die israelische Regierung setzt das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung im besetzten Gazastreifen ein, was ein Kriegsverbrechen darstellt", erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bemängelte einen "entsetzlichen Mangel an Differenzierung" und verwies auf die Tötung von Gläubigen während des Gebets sowie die versehentliche Erschießung israelischer Geiseln durch die israelische Armee.
"Israelische Kräfte blockieren vorsätzlich die Lieferung von Wasser, Lebensmitteln und Treibstoff, behindern absichtlich die humanitäre Hilfe, zerstören offenbar landwirtschaftliche Flächen und berauben die Zivilbevölkerung der für ihr Überleben unentbehrlichen Güter", kritisierte Human Rights Watch.
Israel warf der Menschenrechtsorganisation in einer Reaktion Antisemitismus vor.Diese sei eine "antisemitische und anti-israelische Organisation", erklärte die israelische Regierung. HRW habe die Angriffe der islamistischen Hamas auf israelische Bürger am 7. Oktober nicht verurteilt und habe "keine moralische Grundlage, um darüber zu sprechen, was in Gaza passiert, wenn sie die Augen vor dem Leid und den Menschenrechten der Israelis verschließen", sagte Außenministeriumssprecher Lior Haiat der Nachrichtenagentur AFP.
Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften radikalislamischen Hamas in israelische Orte eingedrungen und hatten dort Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden rund 1140 Menschen getötet und etwa 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion bombardiert die israelische Armee seither Ziele im Gazastreifen und startete eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang etwa 18.800 Menschen getötet.
"Wir werden Zeugen eines entsetzlichen Mangels an Differenzierung bei Israels Militäreinsatz in Gaza", schrieb der EU-Außenbeauftragte Borrell in den Online-Netzwerken. "Hunderte" Zivilisten seien von der Armee getötet worden. "Das muss aufhören. Eine humanitäre Pause ist dringend notwendig."
Israel hatte am Freitag eingeräumt, dass Soldaten im Gazastreifen versehentlich drei israelische Geiseln getötet hatten, die ihren Geiselnehmern entkommen waren. Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem gab zudem an, ein israelischer Soldat habe am Samstag eine palästinensische Christin und ihre Tochter auf dem Gelände der einzigen katholischen Kirche im Gazastreifen erschossen. Die Armee sicherte zu, den Vorfall zu untersuchen.
Am Montag erklärte die Hamas, dass seit Sonntag in der Stadt Dschabalia infolge beim Beschuss mehrerer Häuser 110 Palästinenser getötet worden seien. Die israelische Armee erklärte, "die Hamas platziere absichtlich und systematisch militärische Ziele inmitten der Zivilbevölkerung" und setze damit ihre Bürger einer Gefahr aus.
Die Zahl der bei Kämpfen im Gazastreifen getöteten israelischen Soldaten stieg derweil laut Armeeangaben auf 126.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warf Israel derweil vor, ein Krankenhaus im Norden des Gazastreifens de facto zerstört zu haben. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus äußerte sich im Kurzbotschaftendienst X "entsetzt über die faktische Zerstörung des Kamal-Adwan-Krankenhauses im nördlichen Gazastreifen in den vergangenen Tagen".
Die israelische Vertretung bei den Vereinten Nationen warf Tedros als Reaktion vor, nicht darauf hingewiesen zu haben, dass sich die Hamas in dem Krankenhaus verschanzt habe. Zudem habe die israelische Armee vor dem Angriff ein "humanitäres Fenster" eingeräumt und der Großteil des Krankenhauses sei evakuiert worden.
Der UN-Sicherheitsrat in New York wollte sich am Montag erneut mit dem Gazakrieg befassen. Dabei sollte über einen Resolutionsentwurf abgestimmt werden, in dem eine "sofortige und tragfähige Einstellung der Kampfhandlungen" gefordert wird.
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen ist auch die Gewalt im von Israel besetzten Westjordanland aufgeflammt. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums der palästinensischen Autonomiebehörde wurden am Montag vier Palästinenser im Flüchtlingslager Al-Fara nahe der Stadt Tubas von israelischen Soldaten erschossen. Damit sei die Anzahl der seit dem 7. Oktober bei israelischen Militäreinsätzen oder von Siedlern getöteten Palästinensern im Westjordanland auf 301 gestiegen.
A.M.Murray--TNT