Trauer und Wut in Israel nach versehentlicher Tötung von Geiseln durch Soldaten
Trauer und Proteste in Israel: Nach der versehentlichen Tötung dreier Hamas-Geiseln im Gazastreifen durch israelische Soldaten haben erste Untersuchungen ergeben, dass die drei Männer eine weiße Fahne schwenkten und auf Hebräisch um Hilfe riefen. Die Tötung verstoße "gegen unsere Einsatzregeln", sagte ein Militärvertreter am Samstag. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einer "unerträglichen Tragödie", während hunderte Menschen in Tel Aviv auf die Straße gingen.
Die drei Männer im Alter zwischen 25 und 28 Jahren seien am Freitag "einige Dutzend Meter" von einer Stellung der israelischen Streitkräfte in der Stadt Gaza aufgetaucht, sagte der Armeevertreter. Alle drei hätten "keine T-Shirts getragen", aber einen "Stock mit weißem Stoff daran" dabei gehabt. Ein Soldat habe die Männer gesehen, sich bedroht gefühlt und das Feuer eröffnet.
Es sei möglich, dass die Geiseln zuvor von ihren Entführern zurückgelassen worden seien oder flüchten konnten, hieß es weiter. Die Tötung der Männer verstoße "gegen unsere Einsatzregeln", betonte der Armeevertreter. Er sprach von einem "tragischen" Vorfall. Die sterblichen Überreste von Alon Lulu Schamris, Jotam Haim und Samer El-Talalka wurden Armeeangaben zufolge nach Israel gebracht.
Israels Regierungschef Netanjahu zeigte sich tief betroffen. Er nannte den Vorfall eine "unerträgliche Tragödie", die den israelischen Staat "in tiefe Trauer" gestürzt habe.
Während sich die Nachricht von der versehentlichen Tötung der drei Geiseln verbreitete, versammelten sich vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv hunderte Demonstranten, darunter auch Angehörige von Geiseln. Sie forderten ein rasches neues Abkommen mit der Hamas zur Freilassung der verbliebenen Geiseln. Nach jüngsten israelischen Angaben befinden sich noch immer 129 Geiseln in der Gewalt der radikalislamischen Palästinenserorganisation.
Das Nachrichtenportal "Axios" berichtete derweil, dass israelische Mossad-Geheimdienstchef David Barnea am Wochenende mit dem katarischen Regierungschef Mohammed ben Abdelrahmane Al-Thani in Europa zusammentreffen werde. Dabei solle es um eine zweite Feuerpause zur Freilassung von Geiseln gehen. Angaben zum genauen Ort des Treffens und zur Zahl der Geiseln, die freigelassen werden könnten, machte "Axios" nicht.
Ende November waren im Rahmen einer zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Feuerpause im Verlauf einer Woche etwa hundert israelische Geiseln freigelassen worden. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus den Gefängnissen frei. Das Abkommen war von Katar, Ägypten und den USA vermittelt worden.
Die Kämpfe im Gazastreifen gingen am Samstag ungeachtet der Vorfälle weiter. Die israelische Armee meldete die Erstürmung von zwei Schulen in der Stadt Gaza, in denen sie Verstecke der Hamas vermutete. Die Hamas meldete ihrerseits "erbitterte Kämpfe" in der Gegend des Flüchtlingslagers Dschabalija im Norden des Gazastreifens, sowie israelischen Beschuss der Stadt Chan Junis im Süden des dicht besiedelten Küstengebiets.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert bereits zehn Wochen an. Hunderte Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Oktober in israelische Orte eingedrungen und hatten dort beispiellose Gräueltaten an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden mehr als 1130 Menschen getötet 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion bombardiert die israelische Armee seither Ziele im Gazastreifen und startete eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang rund 18.800 Menschen getötet, darunter etwa 8000 Kinder.
Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas ist auch in anderen Gebieten im Nahen Osten zu spüren. Die mit dem Iran verbündete Huthi-Miliz im Jemen griff in den vergangenen Tagen vermehrt Containerschiffe im Roten Meer an. Als Reaktion entsandte Großbritannien den Zerstörer "HMS Diamond" in die Region, der in der Nacht zum Samstag nach Angaben des britischen Verteidigungsministers Grant Shapps eine mutmaßliche Angriffsdrohne abfing und "erfolgreich zerstörte".
Auch an der Grenze zwischen dem Norden Israels und dem Libanon kam es erneut zu Zwischenfällen. Die israelische Luftabwehr erklärte, ein "feindliches Flugzeug" abgefangen zu haben, das aus dem Libanon eingedrungen sei. Weiter erklärte sie, mit Artillerie Ziele im Libanon anzugreifen, wo es seit Beginn des Kriegs auch immer wieder zu Gefechten mit der ebenfalls vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz kommt.
T.Allen--TNT