Vor Ukraine-Beschluss: Orban fordert weitere Milliarden von der EU
Ungarns Regierungschef Viktor Orban verschärft den Streit um Milliarden-Hilfen der Europäischen Union für die Ukraine. Er machte seine Zustimmung am Freitag, dem zweiten Tag des EU-Gipfels, von der Freigabe weiterer Milliarden für Ungarn abhängig, die die EU wegen Rechtsstaats-Mängeln eingefroren hat. Wegen Ungarns Blockade hatte die EU den geplanten Beschluss ins neue Jahr vertagen müssen.
Orban sagte im ungarischen Radio, dies sei "eine großartige Gelegenheit für Ungarn, um klarzustellen, dass es bekommen sollte, was es verdient hat. Nicht die Hälfte, nicht ein Viertel, sondern alles."
Unmittelbar vor dem Gipfel hatte die EU-Kommission bereits gut zehn Milliarden Euro für Orban freigegeben, weil das Land eine Justizreform in Kraft gesetzt hatte. Weitere Milliarden liegen wegen Verstößen etwa gegen die Rechte sexueller Minderheiten oder das Asylrecht auf Eis.
Belgiens Regierungschef Alexander De Croo sagte, in diesen Bereichen gebe es "noch keine Fortschritte" in Ungarn. "Das Einfrieren kann nur aufgehoben werden, wenn es Fortschritte bei diesen Forderungen gibt", betonte der Belgier, dessen Land im Januar den rotierenden EU-Ratsvorsitz übernimmt.
Orban hatte in der Nacht sein Veto gegen weitere Wirtschaftshilfen von 50 Milliarden Euro für die Ukraine eingelegt. Er verlangte "angemessene Vorbereitungen" für den Beschluss. Dazu will die EU Anfang 2024 einen Sondergipfel abhalten, ein Termin steht noch nicht fest.
Irlands Regierungschef Leo Varadkar zeigte sich "enttäuscht". Auch aus dem Europaparlament kam scharfe Kritik: "Viktor Orban ist der korrupteste Regierungschef, den wir haben", sagte die Parlaments-Vizepräsidentin Katarina Barley (SPD) dem Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Vor dem Gipfel hatte Orban eine Strategiedebatte verlangt, was die EU mit den Ukraine-Hilfen eigentlich bezwecke. Viele Länder sehen darin laut Diplomaten ein Manöver, um den Beschluss weiter zu verzögern.
Die EU-Kommission hatte die 50 Milliarden bereits im Juni vorgeschlagen, um das Land vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu bewahren. Davon sollen 17 Milliarden Euro als frisches Geld fließen, weitere 33 Milliarden Euro in Form von Krediten.
Dafür ist eine Aufstockung des mehrjährigen EU-Hauhaltsrahmens bis 2027 geplant, die wegen Orbans Veto ebenfalls blockiert ist. Für Bereiche wie Migration und Verteidigung sind in diesem Zusammenhang weitere Gelder im Gespräch, zuletzt ging es um gut 20 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte sich bei dem Gipfel dafür stark, den Bedarf wenn möglich durch die Umverteilung bereits zugesagter Mittel zu decken.
Am zweiten Gipfeltag sollte es um den Nahost-Krieg gehen, die Migration sowie den Kampf gegen den Antisemitismus. Die als Palästinenser-nah geltenden Mitgliedsländer Spanien, Belgien, Irland und Malta verlangen eine schärfere Sprache gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen.
"Das Töten unschuldiger Zivilisten muss jetzt endlich aufhören", sagte Belgiens Regierungschef De Croo. Varadkar sagte, die EU müsse "Israel wirklich unter Druck setzen und sagen, dass ihr Versagen, den Palästinensern einen eigenen Staat zuzugestehen, die Beziehungen zwischen Israel und der EU in der Zukunft beeinträchtigen wird". Damit geraten Israel-freundliche Länder wie Deutschland und Österreich unter Druck.
Am Donnerstag hatten die Staats- und Regierungschef den Weg für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und dem Nachbarland Moldau freigemacht. Ungarns Regierungschef Viktor Orban kritisierte dies zwar scharf, verzichtete aber auf ein Veto - anders als bei den Hilfsgelder.
Kanzler Scholz spielte bei dem Durchbruch eine entscheidende Rolle, wie es aus Diplomatenkreisen hieß. Er schlug Orban vor, den Saal zu verlassen, die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen wurde währenddessen vereinbart.
Orban distanzierte sich anschließend von der Gipfeleinigung. In einem auf Facebook veröffentlichten Video sprach er von einer "völlig sinnlosen, irrationalen und falschen Entscheidung". Er habe sich enthalten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach wegen der zugesagten Beitrittsverhandlungen dennoch von einem "Sieg für die Ukraine" und "für ganz Europa". Scholz nannte die Entscheidung "ein starkes Zeichen der Unterstützung
S.Arnold--TNT