Putin zeigt sich siegesgewiss und bekräftigt militärische Ziele in der Ukraine
Russlands Präsident Wladimir Putin hat die militärischen Ziele Moskaus im Ukraine-Konflikt bekräftigt und sich siegesgewiss gezeigt. Frieden werde es erst geben, wenn "die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine" erreicht sei, sagte Putin am Donnerstag bei seiner traditionellen Fragestunde für Bürger und Journalisten zum Jahresende in Moskau. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte derweil eindringlich vor den Folgen eines möglichen russischen Siegs in der Ukraine.
Die russischen Truppen verbesserten ihre Stellungen "praktisch auf der gesamten Länge der Kontaktlinie" in der Ukraine, sagte Putin: "Wir kommen voran." Die Ukraine hatte im Juni eine Gegenoffensive gestartet, die jedoch nicht die von Kiew erhofften Erfolge brachte. Der Frontverlauf hat sich in diesem Jahr kaum verändert.
Erstmals äußerte Putin sich zur Zahl der russischen Soldaten in der Ukraine, demnach sind dort derzeit 617.000 Soldaten im Einsatz. Eine weitere Mobilmachung sei derzeit nicht notwendig, täglich meldeten sich 1500 Rekruten, sagte er. Angaben zur Zahl der getöteten Soldaten machte Putin nicht. Die USA gehen von 315.000 verletzten oder getöteten russischen Einsatzkräften aus.
Der Kreml-Chef machte deutlich, dass er weiterhin an den Zielen der im Februar 2022 gestarteten Offensive festhält: die Entmachtung der ukrainischen Regierung, die er als "Nazis" bezeichnet, die Zerstörung der militärischen Fähigkeiten des Nachbarlandes sowie dessen "neutralen Status". Eine Lösung werde "auf dem Verhandlungsweg oder durch Gewalt erreicht werden", betonte Putin.
Die Fragestunde, die von Hunderten von Journalisten beobachtet wird und bei der handverlesene Bürger am Telefon Fragen stellen dürfen, dauerte vier Stunden. Laut dem russischen Fernsehen waren im Vorfeld mehr als 2,8 Millionen Fragen für die Sendung eingereicht worden. Wie auch in früheren Jahren, wurden alltägliche Sorgen von Bürgern dabei quasi live geregelt. So erreichten Kinder aus einem Ort auf der annektierten Krim-Halbinsel, dass während der Sendung die Sanierung ihrer Sporthalle zugesagt wurde.
Auf per SMS eingesandte kritische Fragen oder Äußerungen, die während der Sendung auf einem großen Bildschirm eingeblendet wurden, ging der Präsident dagegen nicht ein. So schrieb etwa ein Zuschauer, Putin solle auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur verzichten: "Machen Sie Platz für Jüngere." Vergangene Woche hatte der 71-Jährige angekündigt, bei der Präsidentschaftswahl im kommenden März erneut anzutreten.
Im vergangenen Jahr hatte Putin seine traditionelle Fragestunde angesichts der Rückschläge für seine Armee in der Ukraine abgesagt.
Auch mit Blick auf die Widerstandskraft der russische Wirtschaft zeigte sich der Präsident nun optimistisch. Die Sanktionen des Westens hätten der Wirtschaft kaum geschadet. "Wir haben genug, um nicht nur zuversichtlich zu sein, sondern auch um voranzukommen."
Der Kreml-Chef dürfte sich auch gestärkt fühlen durch die zunehmend zögerliche Haltung der westlichen Verbündeten der Ukraine. Neue Milliardenhilfen der USA für die Ukraine sind derzeit wegen des Widerstands der oppositionellen Republikaner blockiert.
Und auch in der EU wird um weitere Ukraine-Hilfen und die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Kiew gerungen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban bekräftigte am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel seine ablehnende Haltung zu Verhandlungen über eine Aufnahme der Ukraine in die EU. "Es gibt keinen Grund, irgendwas zu diskutieren, denn die Bedingungen sind nicht erfüllt", sagte Orban.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Teilnehmer des EU-Gipfels per Videobotschaft auf, grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu geben. "Bietet Wladimir Putin keinen Sieg", sagte er. "Jetzt ist nicht die Zeit für halbe Sachen." Russlands Präsident Wladimir Putin werde ein solches Zögern gegen Europa verwenden.
Nato-Chef Stoltenberg warnte, dass Putin andere Länder angreifen könnte, wenn die militärische Unterstützung des Westens für Kiew nachlasse. "Wenn Putin in der Ukraine gewinnt, besteht die reale Gefahr, dass seine Aggression dort nicht aufhört", sagte Stoltenberg in Brüssel. "Unsere Unterstützung ist keine Wohltätigkeit. Sie ist eine Investition in unsere Sicherheit."
P.Johnston--TNT