Weiter heftige Angriffe auf Städte im Süden des Gazastreifens
Ungeachtet der Drohungen der radikalislamischen Hamas hat Israel seine Militäroffensive im Gazastreifen fortgesetzt. Augenzeugen berichteten am Montag von Angriffen auf die Städte Chan Junis und Rafah im Süden des Palästinensergebiets. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde sprach von "dutzenden" Toten. Derweil meldete das israelische Militär erneute Raketenangriffe aus dem Gazastreifen, unter anderem auf Tel Aviv. Die UN-Generalversammlung will am Dienstag über die Lage in der Region beraten.
Auf von der israelischen Armee veröffentlichten Videos war zu sehen, wie ein Transportflugzeug mit einem Fallschirm Nachschub für die Soldaten in dem Gebiet um Chan Junis, der zweitgrößten Stadt im Gazastreifen, abwirft. Bereits am Sonntag hatte Israels Generalstabschef Herzi Halevi erklärt, dass die Armee "bedeutende Ergebnisse" im Süden des Küstenstreifens und in der Stadt Gaza erziele.
Kämpfer der militanten Palästinensergruppe Islamischer Dschihad gaben an, ein Haus in Chan Junis gesprengt zu haben, in dem israelische Soldaten ihren Angaben zufolge nach einem Tunnelschacht gesucht hatten.
Das Gesundheitsministerium der Hamas sprach am Montag von "dutzenden" Toten, vor allem in Rafah und Chan Junis sowie in der Stadt Gaza und den Flüchtlingslagern Dschabalija, Nuseirat und al-Maghasi. Laut Ministeriumsangaben wurden innerhalb von 24 Stunden 32 Tote in das Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis eingeliefert.
Seit dem Beginn der israelischen Angriffe vor mehr als neun Wochen wurden nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 18.200 Menschen getötet. Knapp 49.000 Menschen wurden demnach verletzt.
Derweil meldete die israelische Armee erneuten Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen. In Holon am Rande von Tel Aviv wurde Polizeiangaben zufolge ein Zivilist leicht verletzt, zudem gab es erhebliche Schäden durch Raketensplitter.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief die Kämpfer der Hamas auf, ihre Waffen unverzüglich niederzulegen. Zahlreiche Kapitulationen der vergangenen Tage wiesen darauf hin, dass sich die Palästinenserorganisation ihrem Ende nähere, erklärte Netanjahu am Sonntag. "Ich sage den Hamas-Terroristen: Das ist das Ende."
Der Sprecher des bewaffneten Arms der Hamas, Abu Obeida, hatte zuvor eine Fortsetzung der Kämpfe gegen die israelischen Truppen angekündigt. Er warnte, dass keine Geisel den Gazastreifen lebend verlassen werde, wenn die Forderungen seiner Organisation nicht erfüllt würden, darunter die Freilassung weiterer palästinensischer Häftlinge.
Nach israelischen Angaben befinden sich noch 137 Gefangene in den Händen der Hamas und ihrer Verbündeten.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas war am 7. Oktober durch einen beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst worden. Dabei waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion riegelte Israel den dicht besiedelten Küstenstreifen weitgehend ab und begann mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des israelischen Militärs bislang 101 israelische Soldaten getötet.
Durch die andauernden Kämpfe wurden laut den Vereinten Nationen etwa 1,9 Millionen Menschen im Gazastreifen zu Binnenflüchtlingen, das sind etwa 85 Prozent der Bevölkerung.
Die Region Rafah an der Grenze zu Ägypten ist zu einem riesigen Flüchtlingslager geworden, in dem UN-Angaben zufolge katastrophale Bedingungen herrschen. Schätzungen des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) zufolge kamen dort seit dem 3. Dezember hunderttausende Flüchtlinge an.
Israels Armee hatte die Bewohner des Gazastreifens angewiesen, sich in "sichere Zonen" zu begeben - ein Vorgehen, das unter anderem die UN-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten in den palästinensischen Gebieten, Lynn Hastings, heftig kritisierte. Die "einseitige Erklärung einer Besatzungsmacht", dass Gebiete ohne Infrastruktur, Lebensmittel, Wasser, medizinische Versorgung oder Hygiene "sichere Zonen" seien, bedeute nicht, dass diese auch sicher seien, betonte sie.
Ähnlich äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Israel müsse die Zivilisten in dem Palästinensergebiet besser schützen, sagte sie. "Es reicht nicht aus, allein theoretisch zu sagen, dass sie sich in Schutz begeben sollen, wenn de facto keinen Schutz vor Ort möglich ist", sagte sie.
Die Situation im Gazastreifen ist am Dienstag auch Thema einer Sitzung der UN-Generalversammlung, nachdem in der vergangenen Woche eine Resolution im UN-Sicherheitsrat für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen am Veto der USA gescheitert war.
N.Taylor--TNT