Steinmeier empfängt Erdogan zu umstrittenem Besuch in Berlin
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Auftakt seines Besuchs in Berlin empfangen. Erdogan traf am Freitagnachmittag in Schloss Bellevue ein, wo Gespräche der beiden Staatschefs geplant waren. Am frühen Abend wollte Erdogan dann zu Gesprächen und einem Abendessen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen kommen. Zu Beginn wollten Erdogan und Scholz vor die Presse treten.
Es ist der erste Besuch des türkischen Präsidenten in Deutschland seit seiner Teilnahme an der internationalen Libyen-Konferenz im Januar 2020. Themen der Gespräche sollen nach Angaben der Bundesregierung unter anderem der Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sowie das Migrationsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Ankara sein.
Erdogans Besuch wird von scharfer Kritik begleitet. Der türkische Staatschef hatte zuletzt immer vehementer Israels Vorgehen im Gazastreifen kritisiert und das Land als "Terrorstaat" gebrandmarkt. Zudem erhob der türkische Präsident Faschismusvorwürfe gegen Israel, die Scholz als "absurd" zurückwies.
Der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Max Lucks (Grüne), forderte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP, angesichts der Parteinahme Erdogans für die islamistische Hamas Rüstungsexporte an die Türkei sowie Hermes-Bürgschaften für in der Türkei tätige deutsche Unternehmen auf den Prüfstein zu stellen.
Den Besuch Erdogans in Berlin überschatteten aber auch weitere Streitthemen. So sorgt die lange türkische Blockade des angestrebten Nato-Beitritts Schwedens für Verstimmungen. Erst anderthalb Jahre nach dem Antrag durch das skandinavische Land begann das türkische Parlament am Donnerstag mit den Beratungen zur Ratifizierung des Beitritts begonnen.
Die Regierung in Ankara begründet ihr Zögern mit einem angeblich zu laxen Umgang des Landes mit Anhängernder Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Schweden.
Für Streit sorgt auch der Wunsch der Türkei, 40 Eurofighter-Typhoon-Kampfjets zu kaufen. Deutschland, das an der Herstellung der Flugzeuge mitwirkt, sperrt sich nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums gegen den Verkauf.
Vor allem die kurdische Gemeinde sowie der Zentralrat der Juden halten den Besuch Erdogans zum derzeitigen Zeitpunkt für unangebracht. Kritik kam aber auch von der Linken und Vertretern der Grünen.
Andererseits kann die Türkei nach Einschätzung der Bundesregierung ungeachtet aller Spannungen eine bedeutende Rolle im Umgang mit internationalen Konflikten spielen: etwa bei Verhandlungen, um den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer trotz des russischen Angriffskriegs auf das Land zu ermöglichen - oder beim Umgang mit der Migrationskrise.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte von einem "herausfordernden" Besuch gesprochen, diesen aber angesichts der "wichtigen Rolle" der Türkei verteidigt. Kanzler Scholz werde die Differenzen in Bezug auf Israel und die Hamas im Gespräch mit Erdogan ansprechen. Die Diplomatie erfordere es gelegentlich, auch mit "unbequemen Partnern" zu reden, sagte Hebestreit.
F.Jackson--TNT