Spitzengespräch von Bund und Ländern mit Verzögerung gestartet
Mit mehr als drei Stunden Verzögerung haben die Spitzen von Bund und Ländern am Montagabend ihre Beratungen insbesondere über den künftigen Kurs in der Migrationspolitik begonnen. Grund für die Verzögerung war ein Streit zwischen den SPD- und den unionsgeführten Ländern über einen gemeinsamen Forderungskatalog für die Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (CDU), der sich vor allem an der Unionsforderung nach Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU entzündet hatte.
In den schwierigen Vorgesprächen einigten sich alle 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten dann schließlich auf die Forderung nach der Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende und die Begrenzung des Familiennachzugs, wie der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), sagte.
Gemeinsam werden demnach auch eine Wiederbelebung des EU-Türkei-Abkommens, effektivere Binnengrenzkontrollen und eine Weiterentwicklung des Asylrechts in einer parteiübergreifenden Kommission gefordert. Auf diese Positionen hatten sich die Länderchefs im Grundsatz bereits bei ihrem Treffen im Oktober in Frankfurt am Main verständigt.
Bei ihrer traditionellen Vorbesprechung vor dem Treffen mit dem Bundeskanzler seien die SPD-Ministerpräsidenten dann aber "von umfangreichen Änderungswünschen" der Unions-Länder und des grün regierten Baden-Württemberg "überrascht" worden, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Der SPD-Politiker kritisierte dieses Vorgehen als "nicht so wirklich erquicklich".
So hätten die Unions-Länder gefordert, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU auslagern zu können, sagte Weil. Die SPD-Länder wollen laut Weil einem solchen Vorgehen nur dann zustimmen, wenn der Kreis dieser Drittstaaten auf Transitländer beschränkt wird, den die Schutzsuchenden auf dem Weg nach Deutschland durchqueren. Die Unions-Länder und Baden-Württemberg wollen keine solche Beschränkung.
Diese Länder forderten zudem einen Stopp freiwilliger Aufnahmeprogramme der Länder sowie eine automatische Einstufung als sicheres Herkunftsland für all jene, bei denen die Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, wie Hessens Regierungschef Rhein sagte. Diese Forderungen seien in einer Protokollnotiz festgehalten worden und sollten zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgegriffen werden.
Einig waren sich die Länder darin, das Deutschlandticket für den Nah- und Regionalverkehr fortzuführen, wie Weil sagte. "Es wird weitergehen", sagte der SPD-Politiker.
Zu den strittigen Finanzierungsfragen schlugen die Bundesländer demnach vor, die im Jahr 2023 nicht verbrauchten Mittel auf das nächste Jahr zu übertragen. Wenn der Bund hier mitmache, sei dies eine gute Lösung. Unklar ist allerdings, ob der bisherige Preis von 49 Euro pro Monat bleiben wird. Die Verkehrsminister seien beauftragt worden, die Preisgestaltung zu klären, sagte Weil.
Große Einigkeit herrschte laut Weil und Rhein zudem bei dem geplanten Pakt für Planungsbeschleunigung. Es handle sich um den "einmaligen Versuch, ein ganzes Rechtsgebiet vom Kopf auf die Füße zu stellen und von Überregulierung zu befreien", sagte Weil.
Ursprünglich war der Beginn der Bund-Länder-Spitzengespräche im Kanzleramt für 15.00 Uhr vorgesehen. Wegen der schwierigen Vorgespräche im Kreis der Bundesländer verschob sich der Start auf nach 18.00 Uhr. Besonders schwierig dürfte die Frage der Finanzverteilung von Bund und Ländern bei den Flüchtlingskosten sein. Die Länder und Kommunen dringen hier unisono auf mehr finanzielle Unterstützung durch den Bund.
S.M.Riley--TNT