EU-Gipfel ringt um Haltung zu Nahost-Konflikt - Scholz für Vertrauen in Israel
Das Ringen um eine gemeinsame Haltung der 27 EU-Staaten zum Nahost-Konflikt und humanitäre Hilfe für den Gazastreifen hat das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel dominiert. EU-Ratspräsident Charles Michel betonte Israels Recht auf Selbstverteidigung "im Einklang mit dem internationalen Recht", Vertreter mehrere Länder äußerten Kritik am israelischen Vorgehen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warb hingegen um Vertrauen in die israelische Armee.
"Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien", sagte Scholz. Die israelischen Streitkräfte würden daher bei ihrem Vorgehen die Regeln des Völkerrechts beachten. Da habe er "keinen Zweifel". Beim EU-Gipfel gehe es nun "darum, dass wir gemeinsam nochmal deutlich machen, dass wir Israel unterstützen bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen den furchtbaren Angriff der Hamas".
Vor dem Gipfeltreffen herrschte Uneinigkeit darüber, welche Begriffe die EU wählt, um Unterbrechungen der Kampfhandlungen zur humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu fordern. Michel hatte sich in einem nicht mit den Mitgliedstaaten abgestimmten Entwurf für die Gipfelerklärung für eine "humanitäre Pause" ausgesprochen und damit Kritik Israel-naher EU-Staaten wie Deutschland auf sich gezogen.
Deutschland und Länder wie Österreich und Tschechien sahen die Formulierung "humanitäre Pause" skeptisch, da sie zu sehr nach "Waffenruhe" klinge. In einem aktualisierten Erklärungsentwurf war dann von "humanitären Korridoren und Pausen" die Rede, welche die EU-Staats- und Regierungschefs fordern würden.
Michel warb um eine einheitliche Haltung der EU-Staaten. "Einige in der Welt" würden derzeit versuchen, Teile der internationalen Gemeinschaft gegen die EU aufzubringen und "Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit zu wecken", warnte der Ratschef. "Unsere Einigkeit wird das beste Argument sein, das wir gegenüber dem globalen Süden vorbringen können."
Das Thema spalte die EU-Staaten, sagte jedoch Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Er befürworte "das Recht Israels, sich zu verteidigen". Doch "die Meinungen gehen auseinander".
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte verteidigte das israelische Vorgehen grundsätzlich: "Wir erkennen an, dass Israel keine Zukunft hat, wenn es die Hamas nicht eliminiert." Dennoch dürfe dies nicht zulasten "normaler Palästinenser in Gaza" geschehen.
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez forderte eine "Waffenruhe für humanitäre Zwecke" oder "zumindest eine humanitäre Pause". Ob es nun "humanitärer Waffenstillstand" oder "humanitäre Pause" genannt werde, sei für ihn nicht wichtig, sagte sein irischer Amtskollege Leo Varadkar. "Wir wollen, dass das Töten und die Gewalt aufhören, damit humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen kann, wo unschuldige Palästinenser leiden."
Belgiens Alexander de Croo kritisierte Israel und besonders die strikte Abriegelung des Gazastreifens. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, den humanitären Zugang zu dem Küstenstreifen zu blockieren. Die Hamas habe israelische Geiseln genommen, "aber sie halten auch die Bevölkerung Gazas als Geisel".
Bei dem Gipfeltreffen stehen neben dem Krieg im Nahen Osten auch das Thema Ukraine und weitere Unterstützung für das von Russland angegriffene Land auf dem Programm. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sollte per Video zu den Beratungen dazugeschaltet werden.
Litauens Präsident Gitanas Nauseda forderte, den Krieg in Osteuropa nicht zu vergessen: "Meine Botschaft heute ist, die Ukraine weiterhin zu unterstützen, auch wenn wir andere Krisenherde und geopolitische Gründe haben."
C.Bell--TNT