Bundeskabinett billigt verschärfte Abschieberegeln
Verlängerte Haftmöglichkeiten für Abschiebepflichtige und mehr Rechte der Polizei bei Durchsuchungen: Trotz Bedenken aus den Reihen der Grünen hat das Bundeskabinett am Mittwoch verschärfte Regelungen für Abschiebungen gebilligt. Während Hilfsorganisationen vor Grundrechtsverstößen warnten, kritisierte die Union die Maßnahmen als unzureichend.
Das "Bündel restriktiver Maßnahmen" sei nötig, um irreguläre Migration nach Deutschland "deutlich zu begrenzen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss. Schnellere und mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber dienten gleichzeitig dazu, "genügend Kapazitäten" für tatsächlich Schutzbedürftige zu schaffen.
Durch die Pläne soll die Polizei deutlich ausgeweitete Befugnisse zur Durchsetzung von Abschiebungen bekommen. So sollen Beamte in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsuchen dürfen. Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll darüber hinaus von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden.
Ziel ist auch eine forcierte Abschiebung von Schleusern. Ausländische Mitglieder krimineller Vereinigungen sollen zudem künftig unabhängig von einer individuellen Verurteilung ausgewiesen werden können.
Die Regierung reagiert mit dem Gesetz auf die deutlich gestiegenen Asylbewerberzahlen hierzulande und knapp werdende Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in vielen Kommunen. Sie geht laut Gesetzentwurf davon aus, dass die Anzahl der Abschiebungen aufgrund der vorgesehenen Maßnahmen um rund 600 oder fünf Prozent pro Jahr steigen würde.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte eine "rechtsstaatlich fragwürdige Verschärfungen" der Abschieberegeln. Der Gesetzentwurf sehe "schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte ohne jede Verhältnismäßigkeit" vor, erklärte die Organisation. Das Vorhaben werde Kommunen nicht wie behauptet entlasten.
Bedenken an dem Abschiebepaket kommen in der Ampel-Koalition aus den Reihen der Grünen. "Das Gesetz ist in seiner jetzigen Form möglicherweise nicht mit der Verfassung vereinbar", sagte der Grünen-Parlamentarier Julian Pahlke den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Mittwoch. Die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat sieht "unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte auf Freiheit, auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf Privatsphäre der Betroffenen".
Faeser wies zurück, dass es hier bei den Grünen insgesamt Bedenken gebe. Schließlich sei der Gesetzentwurf durch das gesamte Kabinett beschlossen worden, sagte sie. "Da sitzen die Grünen ja mit am Tisch."
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki warnte die Grünen vor einer Blockade des Gesetzentwurfs in den anstehenden Beratungen im Bundestag. Während der Bundeskanzler die Problematik illegaler Migration inzwischen verstanden habe, hätte bei den Grünen noch keiner den Mut gefunden, "diese Wahrheit auch gegenüber den eigenen Parteifreunden in gleicher Weise auszusprechen", sagte er dem "Handelsblatt".
Der Bundesvize der SPD-Jugendorganisation Jusos, Philipp Türmer, bezeichnete die Abschiebepläne im "Handelsblatt" als Symbolpolitik: "Die Ampel versucht, Handlungsfähigkeit zu zeigen, wird aber nicht liefern können." Von mehr als drei Millionen Schutzsuchenden in Deutschland seien nicht einmal 20.000 abgelehnte Asylbewerber ausreisepflichtig.
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger sieht die bereits steigende Zahl der Abschiebungen mit großer Sorge. "Abschiebungen bedeuten, dass Menschen an Orte zurückgezwungen werden, an denen ihnen Krieg, Verfolgung, extreme Armut oder Perspektivlosigkeit drohen", sagte sie der "taz". Anstatt Abschiebungen weiter mit repressiven Maßnahmen zu forcieren, müsse eine wirksame Bleiberechtslösung her.
Der Union gehen die Maßnahmen indes nicht weit genug. Der Gesetzentwurf sei "nicht mehr als ein Schritt auf dem steinigen Weg hin zur Asylwende, die Deutschland jetzt dringend braucht", erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). Viele weitere Schritte müssten folgen. Dazu gehöre beispielsweise die Vereinbarung von Rückübernahmeabkommen mit den Hauptherkunftsländern, damit Abschiebungen überhaupt möglich seien.
Bei täglich bis zu tausend illegal eingereisten Menschen "hilft es auch nicht, wenn am anderen Ende mehrere Dutzende mehr abgeschoben werden", betonte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU) gegenüber dem Südwestrundfunk. "Wir brauchen eine Begrenzung der Zugangszahlen."
Als "bloße Symbolpolitik" bezeichneten die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla die verschärften Abschieberegeln, "solange illegale Migranten nicht konsequent an den Grenzen zurückgewiesen" werden.
S.O'brien--TNT