Nahost-Gipfel: Forderung nach Feuerpause und Hilfsgütern - Beratung über Geiseln
Beim Nahost-Gipfeltreffen in Kairo haben Staats- und Regierungschefs aus aller Welt eine Feuerpause gefordert und über die Freilassung der von der Hamas aus Israel entführten Geiseln beraten. Das Schicksal der Geiseln sei "ein zentrales Thema" der Konferenz gewesen, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach dem Treffen am Samstagabend. Derweil gelangten über den Grenzübergang Rafah erstmals seit Beginn des Krieges vor zwei Wochen Hilfsgüter für die notleidenden Zivilisten in den Gazastreifen.
Baerbock nannte die Freilassung zweier US-Geiseln, die durch die Vermittlung des Emirats Katar zustande gekommen war, einen "kleinen Hoffnungsschimmer". Auf der Konferenz sei "mit unterschiedlichen Partnern" darüber gesprochen worden, "wie wir gemeinsam auch weitere Geiseln befreien können", sagte sie. Viele der Konferenzteilnehmer "bangen selbst um Staatsangehörige, die von der Hamas verschleppt worden sind, genau wie wir als Bundesrepublik Deutschland".
An dem Treffen in der ägyptischen Hauptstadt nahmen auf Einladung des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi unter anderen UN-Generalsekretär António Guterres, Jordaniens König Abdullah II., Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sowie EU-Ratspräsident Charles Michel und Regierungschefs beziehungsweise Außenminister mehrerer europäischer Länder teil. Auch Vertreter der USA, Russlands, Chinas, Japans und Kanadas waren vor Ort.
Nach Angaben von arabischen Diplomaten konnten sich die Teilnehmer des "Cairo Summit for Peace" nicht auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen. Während westliche Vertreter eine "klare Verurteilung" des Angriffs der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gefordert hätten, hätten arabische Vertreter dies abgelehnt.
König Abdullah II., dessen Land ebenso wie Gipfel-Gastgeber Ägypten seit Jahrzehnten zu den Vermittlern im Nahostkonflikt zählt, forderte eine "sofortige Waffenruhe". Guterres sprach von einer "humanitären Katastrophe", die sich derzeit im Gazastreifen ereigne. Er forderte ein weltweites "Handeln zur Beendigung dieses schrecklichen Albtraums". Es müsse "viel mehr" Hilfe für die 2,4 Millionen Bewohner des palästinensischen Gebietes geben.
Auch Baerbock setzte sich für mehr humanitäre Hilfe für den Gazastreifen ein und rief dazu auf, "zwischen Terroristen und Zivilbevölkerung" zu unterscheiden. Sie appelliere "an alle Seiten, jetzt umgehend die Voraussetzungen für eine dauerhafte Öffnung des Grenzübergangs Rafah" für humanitäre Güter und "dringend notwendigen Treibstoff" zu schaffen.
Am Samstagmorgen waren erste internationale Hilfslieferungen im Gazastreifen eingetroffen. In den vergangenen Tagen hatten sich dutzende Lastwagen an der Grenze zwischen Ägypten und dem von der Hamas beherrschten Gebiet gestaut, das Israel seit dem Großangriff täglich angreift und auch komplett abgeriegelt hat.
Am Samstag nun passierten insgesamt 20 Lastwagen den Grenzübergang in Rafah, wie AFP-Reporter berichteten. Nach der Durchfahrt der Lastwagen wurde der Grenzübergang zunächst aber wieder geschlossen. Rafah ist der einzige nicht von Israel kontrollierte Zugang zum Gazastreifen.
Die Grenzöffnung zur Lieferung von humanitärer Hilfe war von US-Präsident Joe Biden vermittelt worden. Israel stimmte unter Bedingungen zu. Die Hilfsgüter dürfen demnach nur im Süden des Palästinensergebiets an Zivilisten verteilt werden und nicht in die Hände der Hamas fallen. Nach Einschätzung der UNO müssten täglich mindestens hundert Lastwagen mit Hilfsgütern den Gazastreifen erreichen, um die Bevölkerung grundlegend zu versorgen.
Die Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel gestartet und dabei mindestens 1400 Menschen getötet sowie rund 200 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Angriff riegelte Israel den Gazastreifen ab und startete dort massive Luftangriffe. Nach Angaben der Hamas wurden seit Kriegsbeginn mehr als 4300 Menschen in dem Gebiet getötet und 13.561 weitere verletzt.
Für Baerbock war die Konferenz in Kairo der letzte Stopp einer dreitägigen Nahost-Reise, auf der sie auch Jordanien, Israel und den Libanon besuchte. Die Sorge vor einem Flächenbrand in der Region sei "riesig", sagte die Außenministerin am Samstagabend.
Anders als "zu anderen Zeiten" sei aber "überall absolut spürbar", dass der Wunsch nach Frieden und Sicherheit vorherrsche. Die Konferenz in Ägypten sei auch ein Ausdruck dessen gewesen, dass "das Ziel der Terroristen", den Annäherungsprozess zwischen arabischen Ländern und den Ländern des globalen Nordens und Israel "kaputt zu machen", von der internationalen Gemeinschaft abgelehnt werde.
P.Johnston--TNT