Israel setzt Vergeltungsschläge nach Hamas-Angriff mit aller Härte fort
Nach dem Großangriff der Hamas auf Israel verschärft sich die Lage in Nahost weiter: Während die israelische Armee ihre Luftangriffe auf den Gazastreifen fortsetzte, drohte die dort herrschende radikalislamische Palästinenserorganisation mit der Hinrichtung der von ihr entführten Geiseln. Derweil verdichteten sich Hinweise auf eine israelische Bodenoffensive gegen die Hamas im Gazastreifen, Sorgen bereitete auch eine mögliche Konfrontation mit der vom Iran unterstützten Hisbollah im Libanon. International gingen die Bemühungen um Deeskalation und eine Verhinderung der Ausweitung des Krieges weiter.
Die Hamas feuerte am Dienstag erneut Raketen auf Ziele in Israel ab, während Israel in der Nacht hunderte weitere Ziele im Gazastreifen bombardierte. Über Gaza waren am Dienstagmorgen mehrere Raketenblitze zu sehen. Zudem waren Explosionen zu hören, auch heulten Sirenen.
Zuvor hatte die Hamas mit der Tötung israelischer Geiseln gedroht, sollte Israel den Gazastreifen weiter ohne Vorwarnung aus der Luft angreifen. "Auf jeden unangekündigten Angriff auf unser Volk werden wir mit der Hinrichtung einer der zivilen Geiseln antworten", erklärten die Essedin-al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, am Montagabend.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verglich die Hamas mit der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), die in Syrien und im Irak reihenweise Gräueltaten an Zivilisten verübt hatte. "Hamas-Terroristen haben Kinder gefesselt, verbrannt und hingerichtet. Sie sind Wilde. Die Hamas ist IS", sagte Netanjahu am Montagabend in einer Fernsehansprache.
Die Palästinenserorganisation Hamas hatte am Samstag tausende Raketen auf Israel abgefeuert, gleichzeitig waren hunderte Kämpfer in den Süden Israels eingedrungen und hatten Zivilisten und Soldaten erschossen sowie etwa 150 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Allein bei einem Musikfestival im Süden Israels töteten sie mehr als 270 überwiegend junge Menschen.
Die Zahl der Todesopfer stieg inzwischen auf mehr als 900 auf israelischer und mehr als 680 auf palästinensischer Seite, tausende weitere Menschen wurden verletzt. Auch eine 22-jährige Deutsche, die zu Besuch in Israel im Kibbuz Nir Os nahe dem Gazastreifen war, soll Medienberichten zufolge getötet worden sein. Die Studentin aus Berlin soll zusammen mit ihrem britischen Freund dort im Urlaub gewesen sein, auch er wurde demnach getötet. Unter den Geiseln befinden sich vermutlich auch Menschen aus Deutschland, Frankreich und den USA
Auch zahlreiche Staatsangehörige anderer Länder, von denen einige auch die israelische Staatsangehörigkeit besaßen, wurden bei dem Hamas-Angriff getötet. Unter ihnen sind nach Behördenangaben elf US-Bürgers sowie Bürger aus Thailand, Nepal, Argentinien, Frankreich, Großbritannien und der Ukraine.
Am Dienstagmorgen teilte die israelische Armee mit, sie habe in Israel und rund um den Gazastreifen "etwa 1500 Leichen von Hamas-Kämpfern" gezählt. Die Armee habe inzwischen "mehr oder weniger" die Kontrolle über die Grenze zum Gazastreifen wiedererlangt, sagte Armeesprecher Richard Hecht. In der Nacht zu Dienstag seien keine Hamas-Kämpfer nach Israel gelangt, es könne aber immer noch zu einzelnen "Infiltrationen" kommen.
Mit Blick auf das weitere israelische Vorgehen sagte Hecht, die Armee habe 35 Bataillone in das südliche Grenzgebiet entsandt. "Wir sind dabei, die Infrastruktur für künftige Einsätze aufzubauen", sagte er. Das israelische Militär habe die Evakuierung von 24 Ortschaften an der Grenze zum Gazastreifen "fast abgeschlossen", fügte er hinzu.
Zuvor hatte die israelische Armee bereits 300.000 Reservisten für den Einsatz "Eiserne Schwerter" gegen die Hamas mobilisiert. Tieflader transportierten Panzer in den Süden Israels Richtung Gazastreifen, der von Israel komplett von der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln, Strom und Gas abgeschnitten wurde.
Viele Beobachter gingen von einer baldigen Bodenoffensive Israels gegen die Hamas im Gaza-Streifen aus. "Was die Hamas erleben wird, wird schwer und schrecklich sein. Wir werden den Nahen Osten verändern", sagte Netanjahu am Montag.
Im Norden des Landes wuchs derweil die Angst vor einer möglichen Konfrontation mit weiteren Kriegsparteien. Bei einem Beschuss des Südlibanon infolge des Eindringens von Anhängern des palästinensischen Islamsichen Dschihad waren auch drei Mitglieder der pro-iranischen Hisbollah-Miliz getötet worden. Die Hisbollah erklärte, sie habe daraufhin zwei israelische Kasernen mit "Lenkraketen und Mörsergranaten" beschossen habe. Netanjahu kündigte daraufhin die Verstärkung "weiterer Fronten im Norden gegen die Hisbollah" an.
Am Montag hatten die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA Israel ihre volle Solidarität zugesichert. Zugleich verurteilten sie die "entsetzlichen Terrorakte" der Hamas. Für die kommenden Tagen kündigten sie ein "vereintes und koordiniertes" Vorgehen an.
Zugleich warnten die fünf Staats- und Regierungschefs andere Staaten - "insbesondere den Iran" - und extremistische Gruppen davor, den Konflikt "über den Gazastreifen hinaus" auszuweiten. Der Iran lobt zwar den Hamas-Angriff, bestreitet jedoch jegliche Beteiligung.
P.Murphy--TNT