Israel holt zum Gegenschlag aus: Zehntausende Soldaten kämpfen im Land gegen Hamas
Nach dem Großangriff der Hamas hat Israel alle Kräfte zum Gegenschlag mobilisiert: Zehntausende israelische Soldaten kämpften im eigenen Land gegen militante Palästinenser, während die Luftwaffe hunderte Ziele im Gazastreifen bombardierte. "Wir beginnen einen langen und schwierigen Krieg, der uns durch einen mörderischen Angriff der Hamas aufgezwungen wurde", erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntagmorgen. Derweil hielten Hamas-Kämpfer weiterhin israelische Geiseln in ihrer Gewalt.
Nach dem Großangriff am Samstagmorgen, der Israel und seine Geheimdienste offenbar überraschte, startete die Armee die Offensive "Eiserne Schwerter". Zehntausende israelische Soldaten seien im Gebiet rund um den Gazastreifen im Süden Israels im Einsatz, um die "Terroristen" in jedem einzelnen Ort zu bekämpfen und die "Befreiung von Geiseln" zu erreichen, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Alle israelischen Bewohner der Region sollten binnen 24 Stunden evakuiert werden.
Die Hamas hatte am Samstagmorgen vom Gazastreifen aus tausende Raketen auf Israel abgefeuert und war mit hunderten Kämpfern aus der Luft, zu Land und über das Meer auf israelisches Gebiet vorgedrungen. Bei ihrem Vormarsch nutzten die Angreifer Pick-Ups, Motorräder, Schnellboote und motorisierte Gleitschirme.
Die eingesickerten Hamas-Kämpfer drangen in Kibbuze sowie Städte wie Aschkelon, Sderot und Ofakim vor, töteten Zivilisten auf der Straße und in ihren Häusern und nahmen eine unbekannte Anzahl von Menschen als Geiseln, darunter auch Soldaten. Die Angreifer stürmten auch ein Rave-Festival und schossen auf die Teilnehmer. Nach israelischen Medienberichten wurden in den Orten Beeri und Ofakim Geiseln befreit, die Armee bestätigte dies zunächst nicht.
Hagari sprach von "hunderten Terroristen", die bei den Gefechten in Israel getötet worden seien, dutzende seien gefangen genommen. Auf israelischer Seite wurden nach Angaben vom Sonntagmorgen mehr als 200 Menschen getötet und etwa tausend verletzt, die im Gazastreifen herrschende Hamas meldete 313 Todesopfer und 1990 Verletzte in dem Palästinensergebiet.
Gefechte wurden am Sonntag von mehreren Orten gemeldet, unter anderem aus Kfar Aza nahe dem Gazastreifen. "Viele Menschen wurden getötet", sagte Armeesprecher Richard Hecht, nachdem die Armee die Namen von 26 getöteten Soldaten veröffentlicht hatte: "Wir haben Soldaten verloren, wir haben Kommandeure verloren und wir haben viele Zivilisten verloren."
Israel kam am Sonntag auch vom Norden her unter Beschuss: Die mit der Hamas verbündete pro-iranische Hisbollah beschoss das Land aus dem Südlibanon nach eigenen Angaben mit Raketen und Artillerie - "aus Solidarität" mit der Hamas, wie die vom Iran unterstützte Miliz erklärte. Die israelische Armee antwortete mit Artilleriefeuer auf Stellungen im Südlibanon.
Netanjahu kündigte nach dem Großangriff der Hamas Vergeltung an und forderte alle Palästinenser zum Verlassen der Stadt Gaza auf. Die "Offensivphase" habe begonnen, erklärte er. Zuvor hatte er angekündigt, die israelische Armee werde die Verstecke der Hamas in Gaza in "Trümmer" legen. Israel stellte die Lieferung von Strom, Treibstoff und Waren nach Gaza ein. Seit Samstag habe die Armee rund 500 Hamas-Ziele im Gazastreifen angegriffen, darunter die "militärische Infrastruktur, Wohnhäuser von Kommandeuren und Symbole des Hamas-Regimes", sagte ein Sprecher.
Hunderte Menschen flohen im Norden des Gazastreifens mit Lebensmitteln und Decken aus ihren Häusern, wie ein AFP-Reporter berichtete. Auch im Westjordanland, einschließlich des annektierten Ostjerusalem, gab es Gewalt. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden dort sechs Palästinenser getötet und weitere 120 verletzt.
Aus vielen westlichen Ländern kamen Solidaritätsbekundungen für Israel. US-Präsident Joe Biden sicherte Israel die "felsenfeste und unumstößliche" Unterstützung seines Landes zu. US-Außenminister Antony Blinken rief "alle Führungen in der Region" auf, die Angriffe auf Israel zu verurteilen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, Israel habe das Recht, sich "gegen diesen perfiden Terror" zu verteidigen. Dieser Tag mit seinem Ausmaß der Gewalt sei eine "Zäsur".
Blinken sprach mit seinem ägyptischen Kollegen Sameh Schukri über die "Dringlichkeit einer sofortigen Einstellung" der Kämpfe. Ägypten gilt als wichtiger Vermittler zwischen Israel und der Hamas. Die Vereinten Nationen beriefen für Sonntag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats ein.
T.F.Russell--TNT