Europa-Gipfel in Granada: Appelle Selenskyjs und Rückschläge
Beim dritten Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Europäer zur Einheit ermahnt und einen Winterschutzschirm für sein Land gefordert. Selenskyj sagte in seiner Rede am Donnerstag vor den versammelten Staats- und Regierungschefs, ohne Einheit drohe Europa der "Ruin". Belastet wurde das Treffen in Granada durch das Streitthema Migration und die Konflikte um Bergkarabach sowie zwischen Serbien und dem Kosovo.
Selenskyj äußerte sich in seiner Rede besorgt über eine womöglich nachlassende Unterstützung in den USA und der EU. Der ukrainische Präsident forderte einen Winterschutzschirm für sein Land. Ein solcher "Verteidigungsschirm" sei wichtig, denn im Winter erwarte er neue "Angriffe mit verschiedenen Typen russischer Raketen und iranischen Drohnen".
Der ukrainische Präsident hatte am Rande des Gipfels eine Reihe bilateraler Treffen, unter anderem mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war ein Gespräch geplant. Scholz steht in Deutschland in der Kritik, weil er bisher die von der Ukraine gewünschten Taurus-Marschflugkörper nicht freigegeben hat.
Die EPG ist eine informelle Gesprächsplattform der 27 EU-Länder und 20 Partnerstaaten. Sie geht auf eine Initiative Macrons zurück und soll ein Signal der Geschlossenheit Europas gegen den russischen Angriffskrieg aussenden. Die Staatschefs von Aserbaidschan und der Türkei, Ilham Alijew und Recep Tayyip Erdogan, sagten ihre Teilnahme allerdings kurzfristig ab.
Überschattet wurde der Gipfel vom Streit der EU-Länder über die Migrationsfrage. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki kritisierte die Einigung auf den letzten Baustein der geplanten Asylreform vom Mittwoch scharf. Er sprach von einem "Diktat aus Brüssel und Berlin", weil Polen wie Ungarn bei dem Mehrheitsbeschluss überstimmt worden war.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni forderte ein deutlich härteres Vorgehen gegen die steigenden Migrantenzahlen. Sie plante nach eigenen Angaben am Freitagfrüh ein Gespräch mit Scholz zu dem Thema. Dabei soll es auch um Seenotretter gehen, die Menschen im Mittelmeer retten. Meloni wirft Deutschland vor, solche Organisationen finanziell zu unterstützen und damit die Lage für Italien noch zu verschärfen.
Einen Rückschlag gab es bei dem Gipfel für die deutsch-französischen Vermittlungsbemühungen zwischen den verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte die Absagen des aserbaidschanischen Präsidenten Alijew und des verbündeten türkischen Staatschefs Erdogan.
Ohne sie seien keine Fortschritte im Konflikt um die Kaukasusregion Bergkarabach möglich. Zugleich übte Borrell scharfe Kritik an der Vertreibung von mehr als 100.000 ethnischen Armeniern durch den "militärischen Gewaltakt" Aserbaidschans.
Stattdessen gab es in Granada ein Vierertreffen mit Scholz, Macron, EU-Ratspräsident Charles Michel und Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan. Michel sagte, trotz "Rückschlägen" müssten die Friedensbemühungen fortgesetzt werden.
Auch die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo schwelten weiter. Die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani forderte Sanktionen gegen den "Agressor" Belgrad . Ansonsten sei sie nicht zu Gesprächen mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic bereit.
Der Gipfel-Gastgeber, Spaniens amtierender Regierungschef Pedro Sánchez, äußerte trotz der unguten Vorzeichen die Hoffnung auf einen "Erfolg" des Doppelgipfels in Granada. Am Freitag folgt ein informeller Gipfel der 27 EU-Staaten. Dabei soll es eine erste Diskussion über den Wunsch der Ukraine geben, die Beitrittsgespräche bis Ende des Jahres zu starten. Beschlüsse werden noch nicht erwartet.
S.Clarke--TNT