The National Times - Bundeskabinett bringt Krankenhausreform auf den Weg - Widerstand aus den Ländern

Bundeskabinett bringt Krankenhausreform auf den Weg - Widerstand aus den Ländern


Bundeskabinett bringt Krankenhausreform auf den Weg - Widerstand aus den Ländern
Bundeskabinett bringt Krankenhausreform auf den Weg - Widerstand aus den Ländern / Foto: © AFP/Archiv

Ungeachtet der scharfen Kritik von Bundesländern und medizinischen Verbänden hat das Bundeskabinett die Krankenhausreform auf den Weg gebracht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies nach dem Kabinettsbeschluss am Mittwoch in Berlin auf die Tragweite der Reform hin: Er sprach von einer "Revolution im Krankenhauswesen". Die Reform hat zwei Hauptziele: Die Finanzierung der Krankenhäuser soll neu geregelt werden, und Erkrankte sollen im Krankenhaus besser medizinisch versorgt werden.

Textgröße ändern:

Mit der Reform will Lauterbach auf eine Reihe von Problemen im Krankenhaussektor reagieren: Viele Kliniken sind in den roten Zahlen, es mangelt an Ärzten und Pflegepersonal, und die medizinische Qualität von Behandlungen gerade in kleinen Häusern lässt oft zu wünschen übrig.

"Mit der Krankenhausreform zieht die Bundesregierung die Notbremse", sagte der Minister. "Ohne die Strukturen der stationären Versorgung zu ändern, drohen Klinik-Insolvenzen, schlechte Behandlung und weite Wege."

Die Finanzierung der Kliniken war seit 2004 über Fallpauschalen geregelt - ein Modell, das laut Lauterbach zu Fehlanreizen führte und deshalb weitgehend abgeschafft werden soll. Viele Krankenhäuser hätten Eingriffe vollzogen, die medizinisch nicht erforderlich gewesen seien - die allerdings für die Kliniken finanziell notwendig gewesen seien, "weil sie sonst ihr Budget nicht zusammenbekommen", sagte Lauterbach.

Künftig sollen die Kliniken unabhängig von den ausgeführten Leistungen vergütet werden, durch so genannte Vorhaltepauschalen, die 60 Prozent ihres Budgets decken. Sie werden also dafür bezahlt, welche Leistungen sie anbieten - nicht, welche Leistungen sie tatsächlich ausführen. Mit der Umsetzung der geplanten Reform "bestimmt der medizinische Bedarf die Behandlung, nicht die Ökonomie", sagte Lauterbach.

Die Reform zielt auch auf eine stärkere Spezialisierung ab: Kliniken sollen sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Die jeweiligen Leistungsgruppen sollen dem Krankenhaus von den Landesbehörden zugewiesen werden, wenn es sich dafür anhand bundeseinheitlicher Qualitätsstandards qualifiziert. Nach den Leistungsgruppen richtet sich auch die Höhe der Vorhaltepauschale.

Die geplante Spezialisierung der Krankenhäuser werde dazu führen, die Zahl der vermeidbaren Todesfälle zu verringern, sagte Lauterbach weiter. Zu oft würden bislang etwa Schlaganfall- oder Krebspatienten in Kliniken behandelt, die dafür nicht optimal ausgestattet seien. "Es würden mehrere zehntausend Menschen im Jahr zusätzlich überleben können, wenn sie in den Kliniken behandelt werden, die dafür besonders geeignet sind", sagte er.

Als weiteren Effekt der Reform nannte Lauterbach, dass die Zahl der Krankenhäuser sinken werde. In Deutschland gebe es rund 1700 Krankenhäuser. "Da muss man klar sagen: Das sind zu viele", sagte Lauterbach. "Deutschland hat nicht den medizinischen Bedarf, nicht das ärztliche und pflegerische Personal und auch nicht die finanziellen Mittel für 1700 Krankenhäuser."

Die Bundesländer übten scharfe Kritik an der Reform und drohten mit einer Verzögerung im Bundesrat. Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Ressortchefin Kerstin von der Decken (CDU), warf Lauterbach vor, sich über berechtigte Forderungen der Bundesländer hinweggesetzt zu haben.

In ihrer Stellungnahme hatten die Länder vom Bund unter anderem eine "nachvollziehbare Auswirkungsanalyse" über die Folgen der tief greifenden Krankenhausreform gefordert. Zudem verlangten sie einen besseren Schutz kleiner Kliniken im ländlichen Raum und eine stärkere Berücksichtigung der Planungshoheit der Länder im Krankenhauswesen.

Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, warf Lauterbach vor, bewusst ein Kliniksterben provozieren zu wollen. Es sei "völlig inakzeptabel, dass ein solcher Großversuch ohne flächendeckendes Versorgungskonzept, ohne vorherige Bedarfsanalyse und ohne Folgenabschätzung auf den Weg gebracht werden soll", kritisierte sie.

Für Kritik sorgt auch Lauterbachs Plan für einen Transformationsfonds, der in den kommenden zehn Jahren den Umbau der Krankenhauslandschaft finanzieren soll. Der Fonds soll 50 Milliarden Euro enthalten, je zur Hälfte finanziert durch die Länder und durch die Gesetzlichen Krankenkassen. Damit trete die Bundesregierung "eine Kostenlawine los, die auf die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen zurollt", warnte Stefanie Stoff-Ahnis aus dem Vorstand des GKV-Spitzenverbands.

S.Ross--TNT

Empfohlen

Lauterbach: Elektronische Patientenakte "extrem sicher"

Vor der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) am 29. April hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Sicherheitsbedenken zurückgewiesen. Die ePA sei "extrem sicher", sagte Lauterbach am Mittwoch bei einem Pressestatement in Berlin. Im internationalen Vergleich sei sie "eine der sichersten, vielleicht die sicherste elektronische Patientenakte". Es sei lange daran gearbeitet worden, zu verhindern, dass Daten abgegriffen werden können. "Diese Gefahr ist gebannt", sagte Lauterbach.

AOK-Umfrage: Mehr als jeder dritte Deutsche erhält Diagnose Allergie

Mehr als jeder dritte Deutsche erhält laut einer AOK-Umfrage die Diagnose Allergie. Insgesamt 36 Prozent berichten von einer ärztlich diagnostizierten Allergie, wobei die Mehrheit Heuschnupfen hat, wie der Bundesverband der Krankenkasse am Mittwoch in Berlin mitteilte.

TÜV-Verband: Weniger Röntgengeräte mit Mängeln - Risiken bleiben aber

Jedes achte vom TÜV im vergangenen Jahr geprüfte medizinische Röntgengerät hat Mängel aufgewiesen. Die Gutachter stellten an 1893 der insgesamt rund 15.600 untersuchten Röntgengeräte Mängel wie etwa unzureichend gekennzeichnete Kontrollbereiche fest, wie der TÜV-Verband am Mittwoch in Berlin mitteilte. Die höchste Mängelquote wiesen Röntgengeräte in Zahnarztpraxen auf.

Statistik: Gesundheitsausgaben 2023 wegen auslaufender Coronamaßnahmen gesunken

Auslaufende Coronamaßnahmen haben im Jahr 2023 zu leicht rückläufigen Gesundheitsausgaben geführt. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte, sanken die Gesundheitsausgaben in Deutschland 2023 gegenüber dem Vorjahr um 0,1 Prozent oder 396 Millionen Euro auf 500,8 Milliarden Euro. Das waren 6013 Euro je Einwohnerin und Einwohner. Schätzungen zum Jahr 2024 erwarten allerdings wieder einen deutlichen Anstieg.

Textgröße ändern: